Leitsatz

1. Die von der Kassenstaatsklausel des Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA‐Tadschikistan geforderte Zahlung durch den Kassenstaat liegt auch dann vor, wenn Zuschüsse durch eine privatrechtliche Körperschaft im Auftrag und für Rechnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gezahlt werden.

2. Sofern die Voraussetzungen der allgemeinen Kassenstaatsklausel (ggf. i.V.m. § 50d Abs. 7 EStG) erfüllt sind, wird ihre Anwendung nicht durch die erweiterte Kassenstaatsklausel des Art. 18 Abs. 4 DBA‐Tadschikistan verdrängt.

 

Normenkette

Art. 18 Abs. 1 und 4 DBA‐Tadschikistan, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, § 50d Abs. 7 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, die im Streitjahr 2014 weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, schloss mit der Russisch-Tadschikischen Universität in X (Universität) für die Zeit vom 1.9.2013 bis zum 1.9.2015 einen Arbeitsvertrag (Tätigkeit als Medienwissenschaftlerin). Darüber hinaus schloss sie mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) am 9.7.2013 eine Zuschussvereinbarung für die Tätigkeit als "Integrierte Fachkraft" (monatlicher Zuschuss zu den Arbeitgeberleistungen der Universität). Grundlage dieser Förderung war der "Auftrag Studien- und Fachkräftefonds Zentralasien des Auftraggebers Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 23.6.2005". Die Zuschussleistungen wurden von der GIZ bzw. dem Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) ausschließlich im Auftrag und für Rechnung des BMZ erbracht.

Das CIM ist eine nicht rechtsfähige Arbeitsgemeinschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der GIZ; es fördert im Auftrag der Bundesregierung die "weltweite Arbeitsmobilität für nachhaltige Entwicklung" und bietet aus Finanzmitteln des BMZ u.a. das Programm Integrierte Fachkräfte (IF) an. Mit diesem Programm sollen deutsche und europäische Experten auf dem deutschen Arbeitsmarkt rekrutiert und temporär an lokale private und öffentliche Arbeitgeber vermittelt werden. Die Arbeitskräfte erhalten einen lokalen Arbeitsvertrag. Zwischen der GIZ/CIM und der IF wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Im Streitjahr erhielt die Klägerin von der GIZ/CIM diverse Zahlungen (Grundzuschuss Ausland, Zuschuss Krankenversicherung u. Ä.).

Das FA erließ mit Datum vom 11.1.2016 für das Streitjahr einen ESt-Bescheid und besteuerte diese Zuschüsse als Bruttoarbeitslohn. Die Zahlungen der Universität wurden dem Progressionsvorbehalt unterworfen. Dem ESt-Bescheid lag ein Antrag der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 EStG zugrunde.

Durch zwei Änderungsbescheide wurde die festgesetzte ESt aus nicht streitigen Gründen herabgesetzt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und sind hinsichtlich der Anwendung des Art. 18 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 27.3.2003 (BGBl II 2004, 1035, BStBl I 2005, 16) – DBA‐Tadschikistan – vorläufig.

Mit Schreiben vom 25.4.2016 beantragte die Klägerin, den ESt-Bescheid 2014 dahin gehend zu ändern, dass die von der GIZ bezogenen Zuschüsse in Deutschland nicht besteuert werden, da sie nicht Art. 18 Abs. 4 DBA‐Tadschikistan unterfielen. Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.6.2016 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23.8.2016 zurück.

Die Klage hatte Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 25.4.2018, 9 K 1757/16, Haufe-Index 12407185, EFG 2018, 1717).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war erfolgreich. Der BFH wies die Verpflichtungsklage ab. Er ging aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen vom Vorliegen eines deutschen Besteuerungsrechts aus.

 

Hinweis

1. Das Besprechungsurteil ist für Arbeitnehmer und Institutionen im Bereich der Entwicklungshilfe bedeutsam, weil es die Reichweite der sog. Kassenstaatsklausel und damit das Ausmaß des deutschen Besteuerungszugriffs auf Zahlungen im Kontext der Entwicklungshilfe bestimmt.

2. Einige Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit Nicht-Industriestaaten abgeschlossen hat, enthalten eine ausdrückliche Regelung für Zahlungen, die im Bereich der Entwicklungshilfe geleistet werden. Handelt es sich um ein von Deutschland finanziertes Entwicklungshilfeprogramm, dann liegt es natürlich nicht fern, dass Deutschland als sog. Kassenstaat die aus seinen Mitteln gezahlten Arbeitslöhne selbst besteuern möchte.

3. Im Streitfall hatte die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit einer tadschikischen Universität abgeschlossen. Da deren Finanzmittel begrenzt waren, schloss sie darüber hinaus mit der deutschen Entwicklungshilfeorganisation GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) eine Zuschussvereinbarung. Die Zuschüsse wurden im Auftrag und auf Rechnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erbracht. Während sich die Klägerin auf die Steuerfreiheit nach dem DBA Tadschikistan...

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