Leitsatz

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die zinslose Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung unter Eheleuten zur einkommensteuerrechtlichen Erfassung eines Zinsanteils führt, da zugleich die Voraussetzungen einer schenkungsteuerrechtlichen freigebigen Zuwendung erfüllt sind.

2. Ergeht während der Anhängigkeit eines Beschwerdeverfahrens beim BFH wegen eines ADV-Beschlusses ein geänderter Einkommensteuerbescheid, so wird dieser Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. In diesem Fall kann der BFH regelmäßig selbst über die ADV entscheiden.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 12 Nr. 3 BewG, § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 5 Abs. 2 ErbStG, § 69 FGO

 

Sachverhalt

Zwei Eheleute beendeten ihren Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die dafür vom Ehemann geschuldete Abfindung wurde zinslos für fünf Jahre gestundet. Das FA setzte deswegen für die Ehefrau Zinseinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an.

Das FG setzte wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung antragsgemäß die Vollziehung aus (FG Münster, Beschluss vom 6.4.2009, 12 V 446/09 E, Haufe-Index 2166331, EFG 2009, 1220) und ließ die Beschwerde zum BFH zu, die das FA auch einlegte. Während des Beschwerdeverfahrens änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aus anderen unstrittigen Gründen. Außerdem wurde über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet.

 

Entscheidung

1. Der BFH hob den Beschluss des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen auf, weil dem Beschluss des FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liege, mit der Folge, dass die gewährte AdV ebenfalls gegenstandslos geworden sei. Der während des Beschwerdeverfahrens erlassene Änderungsbescheid sei analog § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des AdV-Verfahrens geworden.

2. In der Sache erachtete der BFH die Beschwerde des FA hinsichtlich des Ehemannes, der in Insolvenz geraten war, für begründet. Insoweit fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil wegen des laufenden Insolvenzverfahrens keine Zwangsvollstreckung stattfinden könne.

3. Die Beschwerde des FA blieb jedoch in Bezug auf den Aussetzungsantrag der Ehefrau in der Sache ohne Erfolg. Bei summarischer Prüfung sprächen gewichtige Argumente dafür, dass das FA zu Unrecht Zinsen für die Stundung der Ausgleichsfor­derung als Einnahmen aus Kapitalvermögen der ­Einkommensteuer unterworfen habe. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür dem Grunde nach erfüllt. Jedoch komme zugleich eine Schenkung der Ehefrau im Sinne des ErbStG in Betracht. Um eine Doppelbesteuerung zu verhindern, müsse die Ertragsbesteuerung in derartigen Konstellationen zurücktreten.

 

Hinweis

1. Bei länger als ein Jahr gestundeten Forderungen wird steuerrechtlich grundsätzlich nach Maßgabe des § 12 Nr. 3 BewG ein fiktiver Zinsanteil herausgerechnet, der zu Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt. Dies gilt grundsätzlich auch unter Angehörigen und auch dann, wenn ausdrücklich keine Verzinsung vereinbart ist.

2. Allerdings stößt diese Betrachtungsweise an ihre Grenzen, wenn ein und derselbe Sachverhalt neben dem Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch die Voraussetzungen einer Schenkung i.S.d. § 1 Abs. 1 ErbStG erfüllen kann.

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann in der unentgeltlichen Überlassung einer Kapitalsumme auf Zeit eine Schenkung i.S.d. ErbStG liegen (BFH, Urteil vom 31.3.2010, II R 22/09, BFH/NV 2010, 1564, BFHE 229, 374, BStBl II 2010, 806, m.w.N.). Gegenstand der Schenkung bzw. freigebigen Zuwendung ist nicht ein konkreter Ertrag, der dem Zuwendenden entgeht, sondern die zu dem Verzicht auf die eigene Nutzungsmöglichkeit seitens des Zuwendenden korrespondierende Gewährung der Nutzungsmöglichkeit durch den Zuwendungsempfänger (BFH, Urteil vom 12.7.1979, II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631). Eine Unentgeltlichkeit der Kapitalüberlassung zwischen Ehegatten wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verzicht auf Zinsen eine ehebedingte unbenannte Zuwendung ist (BFH, Urteil vom 25.11.1996, II B 88/96, BFH/NV 1995, 70).
b) Eine "doppelte Erfassung" einer unentgeltlichen Kapitalüberlassung auf Zeit durch die Einkommensteuer (fiktiver Zins gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und die Schenkungsteuer (freigebige Zuwendung) kommt z.B. in Betracht, wenn die Abfindung für eine Güterstandsvereinbarung unter Eheleuten zinslos länger als ein Jahr gestundet wird. Dann drohen dem Gläubiger-Ehegatten, der auf Zinsen verzichtet, aus diesem Vorgang Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zugleich kann es sich schenkungsteuerrechtlich um eine freigebige Zuwendung an den Schuldner-Ehegatten handeln.

3. Wie diese Konkurrenz von Einkommensteuer und Erbschaft-/Schenkungsteuer zu lösen ist, ist in der Rechtsprechung und auch im Schrifttum noch nicht abschließend geklärt. Die Rechtspraxis bewegt sich hier auf vermintem Gelände. Grundsätzlich ist es tatbestandlich ausgeschlossen, mit derselben Handlung sowohl eine freigebige Zuwendung zu verwirklichen (§ 7 ErbStG) als auch wirtschaftlich am Markt teil...

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