Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen beschäftigt regelmäßig die Finanzgerichte und auch den BFH. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die Verzinsung dem Grunde oder auch der Höhe nach auf Fehlern des Finanzamts beruht, was oft zu Erlassanträgen nach § 227 AO führt. Dabei geht es i. d. R. um Erlassanträge wegen verzögerter Bearbeitung von Steuererklärungen, hinausgeschobener Auswertung von Grundlagenbescheiden[1] oder zu langer Dauer einer Außenprüfung, die von den Finanzämtern häufig abgelehnt werden. Hierzu können diese sich auf eine gefestigte BFH-Rechtsprechung stützen, die im AEAO zu § 233a, Nr. 69 wiedergegeben ist. Auch bei Bearbeitungsfehlern zugunsten des Steuerpflichtigen mit anschließendem Korrekturbescheid, der zu Nachzahlungszinsen führt, kennt die Rechtsprechung i. d. R. "keine Gnade".[2] So ist ein Verschulden prinzipiell irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses. Die bisher einzig ersichtliche Ausnahme hat der BFH in einem älteren Urteil gemacht.[3] Danach ist die Verzinsung von an Steuerpflichtige zurücküberwiesenen Vorauszahlungen jedenfalls dann gem. § 233a AO nicht zulässig, wenn die Rückzahlung ausschließlich auf einem Fehler des Finanzamtes beruht, die Steuerpflichtigen das Finanzamt unverzüglich auf diesen Fehler aufmerksam machen und den Betrag zur sofortigen Rückzahlung auf einem Girokonto bereithalten. Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil allerdings nur mit der Einschränkung an, dass in vergleichbaren Fällen Nachzahlungszinsen nur zu erlassen sind, wenn die materiell ungerechtfertigt erfolgte Steuererstattung unverzüglich an das Finanzamt zurücküberwiesen wird.[4]

Grundsätzlich ist nach alledem ein Erlass nur bei freiwilligen Leistungen vor Festsetzung der zu verzinsenden Steuer möglich.[5]

Außerdem kommt ein Erlass von Nachzahlungszinsen noch in Betracht, soweit die zugrunde liegende Steuer erlassen wird.[6] Schließlich sind Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit die Nachforderung im Fall einer Steuerfestsetzung vor Ablauf der Karenzzeit im Verrechnungswege gestundet worden wäre (Verrechnungsstundung) und das Finanzamt auf die Erhebung von Stundungszinsen verzichtet hätte.[7]

 
Praxis-Beispiel

Sachliche Unbilligkeit bei möglicher Verrechnung

Am 26.6.03 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 01, der zu einer Mehrsteuer (Nachzahlung) führte, und entsprechend der Steuererklärung vom Februar 03 einen Einkommensteuerbescheid für 02, der zu einer Erstattung führte.

Nachzahlung und Erstattung wurden miteinander verrechnet. Das Finanzamt setzte für die Zeit vom 1.4.03 bis 29.6.03 Nachzahlungszinsen fest.

Dies ist sachlich unbillig. Der Steuerpflichtige hatte seine Steuererklärung für 02 im Februar 03 abgegeben, sodass eine Verrechnungsstundung für die Nachzahlung für 01 ohne Zinserhebung in Betracht gekommen wäre.[8] Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist daher sachlich unbillig.

Nachzahlungszinsen, die auf einen Zeitraum entfallen, für den nach einem BMF-Schreiben zu den Auswirkungen des Coronavirus[9] ein Anspruch auf zinsfreie Stundung der Steuernachzahlung bestanden hat, sind auf Antrag aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.[10]

Ein Erlass der Nachzahlungszinsen ist auch unabhängig vom Erlass der zugrunde liegenden Steuer möglich, wenn persönliche Billigkeitsgründe vorliegen.[11] Sie können allerdings nicht deswegen erlassen werden, weil die zugrunde liegende Steuerschuld zu hoch festgesetzt worden ist.[12]

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