Leitsatz

1. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden.

2. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9 Abs. 3 Satz 2, § 13b, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, § 15a Abs. 1, 2 und 10 UStG, § 311b BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Jahr 2003 ein Grundstück und verpachtete es umsatzsteuerpflichtig an seine Organgesellschaft (GmbH), die es ihrerseits zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendete. Die ihm beim Erwerb in Rechnung gestellte und von ihm gezahlte Umsatzsteuer zog der Kläger im Besteuerungszeitraum 2003 als Vorsteuer ab.

Mit notariellem Vertrag vom 22.10.2009 veräußerte der Kläger das Grundstück an seine Ehefrau (F). Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes wurde in dem notariellen Vertrag nicht erklärt. Die F verpachtete das Grundstück umsatzsteuerpflichtig an die GmbH.

Das FA änderte daraufhin die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2009 und berichtigte den Vorsteuerabzug zu Lasten des Klägers nach § 15a UStG, weil dieser vor Ablauf des Berichtigungszeitraums das Grundstück im Streitjahr umsatzsteuerfrei veräußert habe.

Während des anschließenden Klageverfahrens änderten der Kläger und F den Vertrag vom 22.10.2009 mit notariell beurkundeter "Neufassung" vom 12.4.2013 dahingehend, dass der Kläger nunmehr auf die Umsatzsteuerfreiheit der Grundstückslieferung verzichtete. Daraufhin gab das FG der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.8.2013, 16 K 286/12, Haufe-Index 6792683).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet; sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Der BFH entschied, die Vorsteuer sei entgegen der Auffassung des FG nach § 15a UStG zu berichtigen, weil sich hinsichtlich des im Jahr 2003 steuerpflichtig erworbenen Grundstücks die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums geändert habe. Der Kläger habe dieses Grundstück im Jahr 2009 steuerfrei veräußert; die nachträgliche Option im Jahr 2013 ändere daran nichts.

§ 9 Abs. 3 Satz 2 ermögliche nach seinem Wortlaut in diesen Fällen den Verzicht auf die Steuerbefreiung "nur" in dem der Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag, nämlich "in dem" Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Das sei der Verpflichtungsvertrag, der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB).

Danach sei eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung dieses Vertrages ausgeschlossen.

Für dieses Ergebnis spreche auch die systematische Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG (Verhältnis zu § 9 Abs. 3 Satz 1 UStG), die Gesetzesbegründung ("letztmöglicher Zeitpunkt für die Erklärung des Verzichts auf die Steuerbefreiung") sowie der Zweck des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG ("Schutz des Leistungsempfängers vor einer nachträglichen Ausübung der Option durch den leistenden Unternehmer, durch die eine nachträgliche Steuerschuld beim Leistungsempfänger entstehen würde").

 

Hinweis

Umsätze, die – wie die Lieferung eines Grundstücks – unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Der leistende Unternehmer kann einen derartigen Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (§ 9 Abs. 1 UStG). Der Verzicht auf diese Steuerbefreiung ist bei Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig (§ 9 Abs. 3 Satz 1 UStG). Bei anderen Umsätzen i.S.v. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.10.2015 – XI R 40/13

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge