Leitsatz

1. Eine dem FG elektronisch übermittelte Klagerücknahme musste im Jahr 2004 nach dem seinerzeit geltenden § 77a FGO a.F. nicht zwingend mit einer elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein.

2. Eine Klagerücknahme ist grundsätzlich unwiderruflich. Das gilt auch dann, wenn die Klagerücknahme gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO nur mit Einwilligung des Beklagten möglich ist und der Beklagte diese Einwilligung noch nicht erteilt hat.

 

Normenkette

§ 72, § 52a, § 138 FGO, § 77a FGO a.F., § 126a BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Rechts- und Betriebswirt, hatte seine Klage im Juli 2004 mit einem Schriftsatz zurückgenommen, den er nicht unterschrieben und dem FG als E-Mail übersandt hatte. Das Dokument war nicht mit einer elektronischen Signatur versehen. Vergleichbare Erklärungen hatte der Kläger zuvor schon elektronisch übermittelt. Nun berief er sich auf die fehlende elektronische Signatur. Die Klage, mit der er die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend machte, hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Das Fehlen der elektronischen Signatur war – weil § 52a FGO im Streitfall noch nicht anwendbar war – unerheblich.

 

Hinweis

1. Eine Klagerücknahme muss – wenn sie nicht zu Protokoll gegeben wird – grundsätzlich eigenhändig unterschrieben werden (§ 72 Abs. 1, § 269 Abs. 2 ZPO).

2. Für die Beurteilung einer Klagerücknahme galt nach § 72 Abs. 1 FGO in der bis zum 1.9.2004 geltenden Fassung: "Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheids ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Beklagten möglich." Nach § 72 Abs. 1 Satz 3 FGO in der Fassung ab 1.9.2004 (vgl. Art. 7 und 14 des Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004, BGBl I 2004, 2198) gilt die Einwilligung als erteilt, wenn die Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird.

a) Eine Klagerücknahme ist als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und kann auch nicht – etwa in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen – angefochten werden. Ausnahmsweise kann die Unwirksamkeit einer Klagerücknahme anzunehmen sein, wenn ein rechtsunkundiger Steuerpflichtiger in unzulässiger Weise – etwa durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch unbewusste Irreführung – zur Abgabe einer solchen Erklärung veranlasst worden ist oder wenn ein Wiederaufnahmegrund i.S. d. §§ 579 und 580 ZPO vorliegt.

b) Die Erklärung über die Klagerücknahme ist – entgegen einer zum Teil in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung – bindend, solange die nach § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderliche Einwilligung des Beklagten noch nicht versagt ist. Denn die erforderliche Einwilligung dient ausschließlich dem Interesse des Beklagten an einer gerichtlichen Entscheidung bei einem bereits weit fortgeschrittenen Prozessstadium. Sofern die nach § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderliche Einwilligung des FA erteilt wird, entfällt die Rechtshängigkeit der Klage.

3. Die Besprechungsentscheidung betrifft, soweit sie die Frage nach dem Erfordernis der elektronischen Signatur betrifft, altes Recht, denn § 77a FGO wurde durch § 52a FGO ersetzt. Mit Wirkung vom 1.4.2005 "müssen" nach § 52a FGO elektronische Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen (z.B. Klageerhebung, Klagerücknahme, Einlegung eines Rechtsmittels und dessen Rücknahme), mit einer elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.10.2006, V R 40/05

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