Leitsatz

Ein Widerruf einer Einverständniserklärung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO ist ausgeschlossen, soweit sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat.

 

Normenkette

§ 79a Abs. 3 und 4, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 142 FGO, § 114 S. 1, § 117 Abs. 2 ZPO, § 179 AO, § 138 Abs. 5 BewG vor 2007

 

Sachverhalt

Das für die GrESt-Festsetzung zuständige FA X forderte das FA als Lage-FA auf, den Bedarfswert eines Grundstücks nach § 138 Abs. 1 BewG festzustellen. Dieser werde für die Besteuerung wegen der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) benötigt.

Das FA stellte den Grundbesitzwert fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos. Die Entscheidung des FG (FG Schleswig-Holstein vom 09.12.2010, 2 K 144/09, Haufe-Index 2670862) erging im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung anstelle des Senats durch die Berichterstatterin. Der Kläger hatte allerdings seine ursprüngliche Einverständniserklärung nach einem rechtlichen Hinweis der Einzelrichterin schriftlich widerrufen.

Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im angefochtenen Urteil des FG wandte sich der Kläger mit einer Beschwerde und beantragte, ihm hierfür PKH zu gewähren.

 

Entscheidung

Den PKH-Antrag lehnte der BFH ab, weil aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot.

 

Hinweis

1. Im Rahmen seines PKH-Antrags hatte der Kläger zunächst vorgetragen, § 138 Abs. 5 BewG sei dahingehend zu verstehen, dass das Feststellungs-FA vor der Wertermittlung immer erst materiell-rechtlich zu prüfen habe, ob ein grunderwerbsteuersteuerbarer Vorgang vorliege. Dass dem nicht so ist, stellt jetzt der BFH nochmals klar: Danach hat das Feststellungs-FA regelmäßig davon auszugehen, dass die Wertfeststellung i.S.v. § 138 Abs. 5 BewG"erforderlich" ist, wenn ein FA um die Feststellung eines solchen Werts für Zwecke einer beabsichtigten Steuerfestsetzung nachsucht. Denn immerhin kann über das Bestehen eines "Wertfeststellungsbedarfs" aufgrund der größeren Sachnähe eigentlich nur das für die Steuerfestsetzung zuständige FA entscheiden. Abweichendes kann nur dann einmal gelten, wenn die angeforderte Feststellung des Grundbesitzwerts völlig unvertretbar oder objektiv willkürlich wäre.

2. Spannender ist die verfahrensrechtliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kläger sein einmal erteiltes Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 und 4 FGO)später widerrufen kann. Dazu liegt bislang noch keine Rechtsprechung vor, was sicher der Anlass war, warum der BFH seinen Beschluss zur Veröffentlichung bestimmt hat. Im Streitfall lag nun die Besonderheit darin, dass die nach der ursprünglich vom Kläger erteilten Einverständniserklärung zuständig gewordene Berichterstatterin später eine diesem wenig mundende Rechtsmeinung kundgetan hatte.

Der Kläger kam daraufhin auf die Idee, der missliebigen Berichterstatterin flugs die Zuständigkeit durch Widerruf der einmal erteilten Einverständniserklärung zu entziehen. Dies allerdings macht der BFH mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 79a Abs. 3 und 4 FGO nicht mit, denn die Norm soll es den Verfahrensbeteiligten ermöglichen, im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung eine Entscheidung durch ein einzelnes Mitglied des an und für sich zuständigen Senats herbeizuführen. Diesem Beschleunigungszweck und dem Bedürfnis, klare prozessuale Verhältnisse zu erreichen, entspricht es, die Beteiligte an einer einmal erteilten Einverständniserklärung nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO jedenfalls dann festzuhalten, wenn sich die objektive Prozesslage nicht wesentlich geändert hat. Auf den Streit, ob der Widerruf einer Einverständniserklärung nach § 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO überhaupt zulässig ist, brauchte der BFH insoweit nicht einzugehen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 10.02.2011 – II S 39/10 (PKH)

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