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Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis können nach § 227 AO ganz oder teilweise erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die unbillige Härte kann in der Sache selbst liegen, aber auch in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen der Steuerpflichtigen begründet sein. Dementsprechend können im Rahmen des Festsetzungsverfahrens unter sonst gleichen Voraussetzungen Steuern gem. § 163 AO niedriger festgesetzt werden.

Für die Unbilligkeit in der Sache selbst gelten für die Grunderwerbsteuer keine Besonderheiten. Die Beurteilung entspricht der für alle anderen Steuerarten. Sachliche Billigkeitsgründe liegen danach vor, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist (BFH v. 22.4.1975, VII R 54/72, BStBl II 1975, 727; BFH v. 15.2.1973, V R 152/69, BStBl II 1973, 466; und BFH v. 24.4.2014, V R 52/13, BStBl II 2015, 106) bzw. wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, i. S. d. begehrten Billigkeitserlasses entschieden haben würde (BFH v. 26.10.1972, I R 125/70, BStBl II 1973, 271 und BFH v. 17.6.2004, IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505, m. w. N.). Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer damit dann, wenn sie im Einzelfall den Wertungen des zugrunde liegenden Gesetzes zuwiderläuft und in diesem Sinne ein Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers besteht (BFH v. 17.9.1987, III R 225/83, BStBl II 1988, 324 m. w. N., BFH v. 9.9.1994, III R 17/93, BStBl II 1995, 8, BFH v. 26.10.1994, X R 104/92, BStBl II 1995, 297, BFH v. 5.6.2002, I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549; BFH v. 7.7.2004, II R 3/02, BStBl II 2004, 1006). Umstände und Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, können demgemäß einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen. Diese Umstände und Härten sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. BVerfG v. 13.12.1994, 2 BvR 89/91, HFR 1995, 220; BFH v. 20.1.1997, V R 28/95, BStBl II 1997, 716; BFH v. 9.9.1993, V R 45/91, BStBl II 1994, 131; BFH v. 5.6.1996, X R 234/93, BStBl II 1996, 503; BFH v. 25.9.2013, VII R 7/12, BFH/NV 2014, 7).

Eine sachliche Unbilligkeit kann auch bei der Erhebung von Säumniszuschlägen zur Grunderwerbsteuer gegeben sein. So ist die Anwendung des § 227 AO auf entstandene Säumniszuschläge in Fällen nicht generell ausgeschlossen, in denen die Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird. Mit dem wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag steht dem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu. Ab diesem Zeitpunkt ist auch die Einziehung der verwirkten Säumniszuschläge unbillig (vgl. BFH v. 9.9.2015, II B 28/15, BFH/NV 2015, 1668).

Die Erhebung der Grunderwerbsteuer kann z. B. im Rahmen der Abgabe des Meistgebots "für einen Dritten" (in verdeckter Stellvertretung) sachlich unbillig sein. Nach Auffassung des BFH ist es im Hinblick auf den Erwerb des Meistbietenden unbefriedigend, wenn ein Grundstückserwerb zur Steuer herangezogen wird, den der Meistbietende weder wirtschaftlich noch rechtlich gewollt hat und den er alsbald demjenigen weitergegeben habe, in dessen Namen er von Anfang an handeln wollte. Dieser Umstand lege es nahe, zu prüfen, ob nicht die von dem Meistbietenden geschuldete Grunderwerbsteuer zu erlassen sei (vgl. BFH v. 7.11.1968, II 9/65, BStBl II 1969, 41, und BFH v. 25.3.1969, II R 123/68, BStBl II 1969, 602). Liegt unter derartigen Umständen ein Erlass der Steuer des Meistbietenden in diesen Fällen nahe, so kann unter bestimmten Umständen auch die Erhebung der Steuer auf den Erwerb des Vertretenen unbillig sein, z. B. wenn der Meistbietende, der nicht im eigenen Namen steigern wollte, das Vertretungsverhältnis von vornherein offen gelegt hätte und so der Zweiterwerb ein Ersterwerb und deshalb steuerfrei gewesen wäre (BFH v. 26.3.1980, II R 143/78, BStBl II 1980, 523). Nicht unter diese Rechtsprechung und damit unter eine etwaige Billigkeitsmaßnahme fallen jedoch die Fälle, in denen der Meistbietende nach dem ihm erteilten Auftrag im eigenen Namen bieten sollte (z. B. weil der Auftraggeber nicht als Bietender in Erscheinung treten wollte). In solchen Fällen ist die zweifache Erhebung von Grunderwerbsteuer ebenso gerechtfertigt wie bei Grundstückskäufen über eine Mittelsperson – vgl. dazu auch BVerfG v. 13.6.1983, HFR 1983, 532 – (OFD Magdeburg v. 17.10.1996 – S 4521).

Die Frage, ob bei anderer Rechtsgestaltung vermeidbare Grunderwerbsteuerfälle Anlass für die Prüfung eines Billigkeitserlasses sein können, ist nach der hier vertretenen Auffassung zu verneinen. Der Ansicht in BFH v. 1.4.1969, II 83/64, BStBl II 1969, 560, dass die Finanzverwa...

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