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Zivilrechtlich wird demjenigen, der vom Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist, das Recht eingeräumt, von den tatsächlichen Erben den Pflichtteil (die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils) zu verlangen (§ 2303 BGB). Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall und kann seinerseits wieder vererbt oder übertragen werden (§ 2317 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte hat nicht die Stellung eines Erben. Sein Anspruch hat stets den Charakter einer Geldforderung. Die Höhe dieser Geldforderung beträgt die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte ist daher auch nicht Rechtsnachfolger des Erblassers bezüglich der zur Erbschaft gehörenden Grundstücke (vgl. BFH v. 29.8.1973, BStBl II 1974, 40).

Erbschaftsteuerrechtlich unterliegt sowohl der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs als auch die Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 – 4. Altern. – bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) der Steuer. Wird ein Grundstück an Erfüllungs statt zur Befriedigung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs übertragen, so liegt hinsichtlich des Grundstücks erbschaftsteuerlich kein Erwerb von Todes wegen vor. Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche sind auf Erfüllung in Geld gerichtet. Von Todes wegen erworben werden diese Geldansprüche. Die nachfolgende Erfüllungsabrede hat das ursprüngliche Schuldverhältnis zum Erlöschen gebracht, den für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Inhalt (Geldanspruch) aber nicht verändert (vgl. BFH v. 7.10.1998, BStBl II 1999, 23 – zum Pflichtteilsanspruch – und BFH v. 10.7.2002, BStBl II 2002, 775 – zum Pflichtteilsergänzungsanspruch –).

Grunderwerbsteuerrechtlich relevant sind die Fälle, in denen dem Pflichtteilsberechtigten aufgrund des von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs oder als Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch ein Grundstück übereignet wird. Der erste Fall war nach früherer Rechtsauffassung des BFH im Hinblick auf die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung insoweit grunderwerbsteuerfrei nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, als das Grundstück für den Pflichtteil hingegeben wird (vgl. BFH v. 30.9.1981, BStBl 1982 II, 55). An dieser Rechtsprechung hält der BFH inzwischen nicht mehr fest. Danach ist ein Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs "an Erfüllungs statt" nicht nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG befreit. Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass das – nämliche – Grundstück Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen i. S. d. ErbStG ist. Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte bzw. der Pflichtteilsergänzungsberechtigte dagegen auf seine Ansprüche und erhält er dafür ein Grundstück als Abfindung, ist dieser Grundstückserwerb nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG befreit (vgl. BFH-Urteil vom 10.7.2002, BStBl II, 775). Nicht grunderwerbsteuerfrei ist aber die Gegenleistung des Pflichtteilsberechtigten, die dieser für einen über seinem Pflichtteilsanspruch liegenden Mehrwert des Grundstücks zu erbringen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30.9.1981, BStBl 1982 II, 76; siehe auch das zur Erbschaftsteuer ergangene BFH-Urteil vom 21.6.1989, BStBl II, 731).

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