Rz. 41

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums der Besteuerung, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft (= schuldrechtliches Geschäft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) bedarf. Angesprochen sind hier vor allem die Fälle, bei denen das Eigentum unmittelbar kraft Gesetzes übergeht oder das Eigentum durch behördlichen bzw. gerichtlichen Ausspruch ("Staatsakt") übertragen wird. Der Tatbestand knüpft ausschließlich an die zivilrechtliche (sachenrechtliche) Eigentumsänderung an. Der Eigentumsübergang muss auf einem Rechtsvorgang beruhen; der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Grundstück genügt nicht (vgl. FG Sachsen v. 5.3.2003, 1 K 1147/00, EFG 2003, 1495, bestätigt durch BFH v. 18.3.2005, II R 21/03, BFH/NV 2005, 1867). Dieser wird hierbei unmittelbar mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands – außerhalb des Grundbuchs – vollzogen. Das Grundbuch, das damit unrichtig geworden ist, bedarf insoweit einer Korrektur (Grundbuchberichtigung, vgl. § 894 BGB und § 22 GBO). Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG entsteht die Grunderwerbsteuer im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung (zur Frage des anwendbaren Steuersatzes im Flurbereinigungsverfahren: FG Niedersachen v. 20.3.2019, 7 K 92/17, Revision BFH II R 7/20).

Da durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur Rechtsgeschäfte erfasst werden, aus denen ein Anspruch aus Übereignung i. S. d. §§ 873, 925 BGB entsteht, nicht aber Rechtsgeschäfte, die die Übertragung eines Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zum Gegenstand haben, unterfallen insbesondere diese letztgenannten Fälle der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Kennzeichnend für die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge ist, dass das Gesamtvermögen des übertragenden Rechtsträgers nicht durch einzelne Übertragungsakte, sondern durch einen Rechtsakt auf einen anderen Rechtsträger (Rechtsnachfolger) übertragen wird. Denkbar ist insoweit auch, wenn der übertragende Rechtsträger fortbesteht, eine partielle (auf bestimmte Gegenstände beschränkte) Gesamtrechtsnachfolge. Dementsprechend gehören zu den von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfassten Fällen vor allem Erwerbsvorgänge im Rahmen von Umwandlungen. Außerdem rechnen dazu Vermögensübergänge infolge Anwachsungen (vgl. zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf Umwandlungen und Vermögensübergänge infolge Anwachsungen die ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. v. 25.2.1969, II R 142/63, BStBl II 1969, 400; BFH v. 28.7.1970, II R 105/64, BStBl II 1970, 816; BFH v. 19.1.1977, II R 161/74, BStBl II 1977, 359; BFH v. 16.2.1977, II R 89/74, BStBl II 1977, 671; BFH v. 8.2.1978, II R 48/73, BStBl II 1978, 320; BFH v. 18.7.1979, II R 59/73, BStBl II 1979, 683; BFH v. 29.1.1992, II R 36/89, BStBl II 1992, 418; BFH v. 16.2.1994, II R 195/90, BStBl II 1994, 866; BFH v. 21.1.2004, II R 1/02, BFH/NV 2004, 1120; BFH v. 29.5.2005, II R 23/04, BStBl II 2006, 137 und BFH v. 9.4.2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526).

Die von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfassten Rechtsgeschäfte schließen das Vorliegen verpflichtender und erfüllender Rechtsgeschäfte nicht aus. Diese genügen jedoch nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. So wird z. B. bei einer Verschmelzung zweier juristischen Personen mit dem von den Vertretungsorganen der beteiligten Rechtsträger abzuschließenden Verschmelzungsvertrag (vgl. § 4 Abs. 1 UmwG) kein Anspruch auf Übereignung i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG begründet. Der Verschmelzungsvertrag (zu dessen Inhalt vgl. § 5 Abs. 1 UmwG) verpflichtet die beteiligten Rechtsträger lediglich zur Verschmelzung, d. h. u. a. zum gesetzlichen Übergang des Vermögens. Eine Auflassung ist bei der Verschmelzung ohnehin nicht möglich, weil sich die Rechtsänderung ausschließlich unmittelbar kraft Gesetzes mit der Eintragung in das (Handels-)Register – vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – vollzieht.

Die grunderwerbsteuerrechtliche Erfassung übertragender Umwandlungen ohne Rücksicht auf die im Einzelfall gegebenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse ist nach Auffassung des BFH verfassungsgemäß, insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BFH v. 29.8.2007, BFH/NV 2007, 2350; BFH v. 7.9.2007, BFH/NV 2007, 2351 und BFH v. 9.4.2009, II B 95/08, BFH/NV 2009, 1148). Dies gilt auch bei solchen übertragenden Umwandlungen, die als "Organisationsakte ohne Marktberührung" zu charakterisieren sind (vgl. BFH v. 9.4.2008, II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526).

Neben den Umwandlungen und Anwachsungen erstreckt sich die Reichweite des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG u. a. auch auf die Fälle der Sondervermögensnachfolge des Hoferben und des Heimstättenfolgers, den Erwerb eines Anteils am Nachlass, den Rückfall des Grundstückseigentums bei gescheiterter Gründung einer Einmann-GmbH und den Eigentumsübergang aufgrund § 9 Abs. 3 BetrAVG (vgl. Rz. 43). Schließlich werden davon auch bestimmte Umwandlungsvorgänge im Rahmen der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse...

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