Leitsatz

Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sind in den Veranlagungszeiträumen vor 2005 nur als Sonderausgaben mit den sich aus § 10 Abs. 3 EStG a.F. ergebenden Höchstbeträgen abziehbar. Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004, 1427) zum 1.1.2005 nichts geändert. Dies folgt aus der zeitlichen Geltungsanordnung des § 52 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 25 AltEinkG.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 3 EStG bis 2004, § 10 Abs. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG

 

Sachverhalt

Die zusammen zur ESt veranlagten Kläger sind verheiratet. Der Kläger war in den Streitjahren 1986 bis 1989 nichtselbstständig tätig. Ihre Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre begründeten die Kläger u.a. damit, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar sein müssten.

Das FG wies die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage ab. Der BFH bestätigte die FG-Entscheidung.

 

Entscheidung

Der BFH habe in dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 1.2.2006, X B 166/05 (BFH-PR 2006, 152) selbst zur Rechtslage ab 2005 ausgeführt, nach der ausdrücklichen Anordnung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG i.d.F. des AltEinkG sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass die fraglichen Vorsorgeaufwendungen lediglich als Sonderausgaben abziehbar seien. Für die hier zu beurteilende Rechtslage vor 2005 folge jedenfalls aus der zeitlichen Geltungsanordnung des AltEinkG i.V.m. den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts, dass eine etwaige – für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG n.F. anzunehmende – betragsmäßig unbegrenzte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Das AltEinkG und eine ab 2005 etwa geltende Systemumstellung hätten keine Vorwirkung in der Weise, dass für frühere Veranlagungszeiträume die Vorsorgeaufwendungen – ihre Rechtsnatur als Werbungskosten unterstellt – abziehbar wären.

 

Hinweis

Der BFH hatte für Streitjahre vor 2005, d.h. vor Inkrafttreten des AltEinkG, bereits früher in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 EStG, sondern als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 3 EStG vor 2005 abziehbar seien (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.7.2004, X R 72/01, BFH/NV 2005, 513). Daran hat der BFH im Besprechungsurteil festgehalten, weil diese Zuordnung zu den beschränkt abziehbaren Sonderausgaben durch das AltEinkG nicht in Frage gestellt worden sei.

In den hier zu beurteilenden, weit zurückliegenden Streitjahren 1986 bis 1989 war für niemanden erkennbar, dass der Gesetzgeber – über 15 Jahre später – zu einer "nachgelagerten" Besteuerung der Renteneinkünfte übergehen werde. Angesichts dieses Befunds wäre eine andere als die auf den Streitzeitraum bezogene Sichtweise mit dem Gebot der rechtsstaatlichen Bestimmtheit der Besteuerung und damit der Vorhersehbarkeit der im jeweiligen Veranlagungszeitraum anwendbaren steuerrechtlichen Rechtslage nicht vereinbar. Auch wäre der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung beeinträchtigt, wenn Personen nur deswegen günstiger besteuert würden, weil die Steuerfestsetzung noch "offen" ist. Hätte der Gesetzgeber des AltEinkG etwas anderes gewollt, hätte er dies ausdrücklich anordnen müssen.

Der Gesetzgeber des AltEinkG hat bei der Bemessung des Besteuerungsanteils von Alterseinkünften den Gesichtspunkt der Vermeidung einer Doppelbesteuerung – d.h. einer doppelten Erfassung von Lebenseinkommen – berücksichtigen wollen (vgl. BT-Drucks. 15/2150, S. 2, 23, 40 f.). Er war sich deshalb bewusst, dass außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des AltEinkG gezahlte Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben durch Höchstbeträge beschränkt abziehbar und deshalb teilweise aus dem versteuerten Einkommen zu leisten waren. Dies ist der Grund dafür, dass Alterseinkünfte nach näherer Maßgabe des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG i.d.F. des AltEinkG zu einem mit 50 % beginnenden Prozentsatz besteuert würden. Hiervon ausgehend lag die Situation einer doppelten Begünstigung durch einen – vorgelagert – unbeschränkten Werbungskostenabzug und einer gleichwohl nur teilweisen Besteuerung der Alterseinkünfte außerhalb seines Regelungswillens.

Erst bei Streitigkeiten über die zutreffende Höhe der Besteuerung der Rentenzuflüsse i.S.v. § 22 Nr. 1 EStG werden die FG und der BFH zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG in seinem "Rentenurteil" vom 6.3.2002, 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618), nach denen im Rahmen der gebotenen Neuregelung der Besteuerung von Alterseinkünften "die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen (seien), dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird", in ausreichender Weise erfüllt hat. Die ersten Prozesse zu dieser Frage werden nic...

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