Leitsatz

1. Bei Ermittlung des für den Unterhaltshöchstbetrag schädlichen Vermögens sind Verbindlichkeiten und Verwertungshindernisse vom Verkehrswert der aktiven Vermögensgegenstände, der mit dem gemeinen Wert nach dem BewG zu ermitteln ist, in Abzug zu bringen (Nettovermögen).

2. Die Bodenrichtwerte nach dem BauGB sind für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundvermögen i.S.d. § 33a EStG nicht verbindlich.

3. Die Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache (§ 173 AO) entfällt nicht allein wegen einer zuvor unterlassenen Änderung durch das FA hinsichtlich einer anderen Tatsache.

 

Normenkette

§ 33a EStG, § 173 AO, § 196 BauGB

 

Sachverhalt

K hatte 1998 Unterhaltsleistungen an ihre Mutter (M) als agB geltend gemacht und in der ESt-Erklärung angegeben, M verfüge über keine Barschaft und nur über ein kleines Häuschen. Für 1999 bis 2001 gab K die Rente der M an und verwies zum Vermögen auf die Vorjahre ("siehe Vorjahr"). Das FA berücksichtigte darauf 3 600 DM als agB.

2004 stellte das FA fest, dass M nicht nur Eigentümerin des selbst genutzten Grundstücks sowie eines nicht angrenzenden Gartengrundstücks war, sondern auch Miteigentümerin eines 1 160 qm großen Bauplatzes sowie von 12 230 qm Ackerland und 2 806 qm Wald war. Das FA änderte die ESt-Bescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte die Unterhaltsleistungen nicht mehr.

Die Klage dagegen blieb erfolglos (FG Nürnberg, Urteil vom 05.12.2006, I 315/2004, Haufe-Index 2099976).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG auf; es wird nun unter Beachtung der unter Praxishinweisen dargestellten Grundsätze das Vermögen neu bewerten müssen.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall betrifft verfahrensrechtlich die Voraussetzungen der Änderung bestandskräftiger Bescheide zulasten des Steuerpflichtigen und materiellrechtlich die Bewertung des Vermögens i.S.d. § 33a EStG.

1. Das FA wusste weder vom Gartengrundstück der M noch von deren Miteigentum an weiteren Grundstücken und deren Geldvermögen. Damit lagen nachträglich bekannt gewordene Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor. Diese Tatsachen waren auch rechtserheblich: das FA hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts anders veranlagt. Für diese Kausalitätsfrage gilt grundsätzlich die Hypothese, dass das FA den Sachverhalt zutreffend gewürdigt hätte, es sei denn, aus Verwaltungsanweisungen ergibt sich Gegenteiliges. Insoweit gelten noch immer die Grundsätze des Großen Senats (Beschluss vom 23.11.1987, GrS 1/86, Haufe-Index 61520, BStBl II 1988, 180).

2. Gartengrundstück, Baugrundstück und Geldvermögen der M waren allesamt Vermögenswerte, die der einkommensteuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen an M entgegenstehen konnten. Denn nach § 33a Abs. 1 S. 3 EStG kommt ein Abzug nur in Betracht, wenn die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Gering ist Vermögen i.d.S. bis 15 500 EUR. Das liegt über dem Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 des früheren BSHG und des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II.

Da § 33a Abs. 1 EStG keine eigenen Bewertungsregeln enthält, war der gemeine Wert der Grundstücke (§ 9 BewG) nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln, d.h. entweder unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke oder auf Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten) oder ausnahmsweise durch Einzelgutachten. Auch wenn die Ableitung des gemeinen Werts aus Richtwerten vorzuziehen ist, war aber entgegen der Auffassung des FG der Bodenrichtwert (§ 196 BauGB)nicht verbindlich. Die vom FG für diese Auffassung angeführten BFH-Urteile betrafen Fälle der Bedarfsbewertung (BFH, Urteile vom 12.07.2006, II R 1/04, BFH/NV 2006, 2156, BFH/PR 2006, 505; vom 11.05.2005, II R 21/02, BFH/NV 2005, 1908, BFH/PR 2005, 465). Entscheidend für § 33a Abs. 1 EStG ist also das Nettovermögen, ausgehend vom gemeinen Wert, der um Belastungen aufgrund ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zu mindern ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.02.2010 – VI R 65/08

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