Leitsatz

Es ist verfassungsgemäß, dass der Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankung, Behinderung u. Ä.) abhängig gemacht wird und auch bei zusammenlebenden Eltern mit drei unter vierjährigen Kindern keine zwangsläufige Fremdbetreuungsnotwendigkeit angenommen wird.

 

Normenkette

§ 4f, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 8, § 32 Abs. 6, § 33a Abs. 3, § 35a Abs. 2 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Kläger werden im Streitjahr 2008 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, die Klägerin ist ausgebildete Ärztin, war jedoch nicht erwerbstätig. Für ihre drei im Dezember 2004, Juni 2006 und Dezember 2007 geborenen Kinder machten die Kläger Betreuungskosten von 6.828 EUR geltend, nämlich Kindergartenbeiträge (2.325 EUR), Aufwendungen für eine Spiel- und Krabbelgruppe (661,50 EUR) und Kosten für ein ab   Juli 2008 beschäftigtes Au‐pair‐Mädchen (3.842 EUR).

Das FA berücksichtigte die Kindergartenbeiträge sowie die Spiel- und Krabbelgruppe und für das über drei Jahre alte Kind 1/3 der Au‐pair‐Kosten (1/3 von 3.842 EUR = 1.280 EUR). Danach ergaben sich anerkannte Sonderausgaben i.H.v. 2.844 EUR (2/3 × [2.325 EUR + 661,50 EUR + 1.280 EUR]). Außerdem gewährte das FA auf die Aufwendungen für das Au‐pair‐Mädchen eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen i.H.v. 600 EUR.

Die Klage, mit der aus den nicht anerkannten Au‐pair‐Aufwendungen ein weiterer Sonderausgabenabzug von 1.707 EUR (= 2/3 von 2.561 EUR) geltend gemacht wurde, wies das FG Düsseldorf als unbegründet ab (Urteil vom 20.12.2012, 14 K 1455/11 E, Haufe-Index 4052706, EFG 2013, 675).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Die Kinderbetreuungskosten sind im EStG mehrfach "umgezogen", von den außergewöhnlichen Belastungen (§ 33c) über den von 2006 bis 2008 geltenden Abzug entweder "wie" Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten (§ 4f, § 9 Abs. 5) oder als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 8) über § 9c zum jetzigen § 10 Abs. 1 Nr. 5.

2. Das Besprechungsurteil betrifft die 2008 geltenden Regelungen:

a) § 4f EStG war unanwendbar, wenn nicht beide zusammenlebenden Elternteile erwerbstätig waren; Entsprechendes galt für den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4f Satz 2 EStG.

b) § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG galt nur für Kinder zwischen drei und sechs Jahren; zwei der drei Kinder der Kläger waren jünger.

c) Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG setzte voraus, dass der nicht erwerbstätige Elternteil sich in Ausbildung befand, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank war.

d) Aufwendungen für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe konnten nach § 33a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 EStG nur abgezogen werden, wenn dies wegen Krankheit, Hilflosigkeit oder Schwerbehinderung eines Familienangehörigen erforderlich war.

e) Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a Abs. 2 Satz 1 EStG) in Höhe von seinerzeit bis zu 600 EUR konnte auch für die Beschäftigung eines die Kinder betreuenden Au‐pair‐Mädchens in Anspruch genommen werden.

3.Die vorstehenden Einschränkungen für den Abzug von Kinderbetreuungskosten erachtet der BFH als verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber war aufgrund seiner Vereinfachungsbefugnis berechtigt, den Abzug für zusammenlebende Eltern mit Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auf die typischen Fälle zu beschränken, in denen Kinderbetreuungskosten zwangsläufig anfallen. Er durfte ihn also von der Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerer Erkrankung oder Behinderung abhängig machen, wobei jeder Elternteil mindestens einen dieser Zwangsläufigkeitsgründe verwirklichen musste.

Der Gesetzgeber hat die Grenzen seiner Typisierungsbefugnis nicht dadurch überschritten, dass er bei einer größeren Zahl kleiner Kinder keinen Zwangsläufigkeitsgrund angenommen hat, weil auch dann nicht typischerweise eine Betreuung durch mindestens zwei Personen erforderlich ist, so­dass der nicht erwerbstätige (in Ausbildung befindliche/kranke) Elternteil die Betreuung typischerweise nicht selbst leisten kann. Wer mit entsprechenden Familienverhältnissen vertraut ist, mag dies allerdings bezweifeln.

Der BFH verweist zur Begründung des fehlenden Grundrechtsverstoßes aber weiter darauf, dass nach der Rspr. des BVerfG zu kindesbedingten Aufwendungen das gesamte Normengeflecht in die Prüfung einzubeziehen ist. Die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit wurde 2008 für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet hatten, durch § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ausgeglichen, und zudem erhielten junge Eltern Hilfe durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.

4. Nach derzeit geltendem Recht, d.h. der aktuellen Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, hätten ­die Kläger 2/3 ihrer Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, als Sonderausgaben abziehen können; eine Erwerbstätigkeit, Aus...

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