Leitsatz

1. Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172ff. AO korrigiert werden.

2. Die Entscheidung über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend BMF-Schreiben vom 15.08.2014, BStBl I 2014, 1174, unter 2.b).

 

Normenkette

§ 233a Abs. 1, 2, 2a und 5, § 239 Abs. 1 Satz 1 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG

 

Sachverhalt

Das FA erließ am 6.5.2013 nach einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 AO für die Streitjahre 2007 und 2008 geänderte ESt-Bescheide. Der höheren Festsetzung der ESt lag in beiden Streitjahren u.a. die gewinnerhöhende Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gemäß § 7g Abs. 3 EStG zugrunde.

Zur ESt 2007 wurden Zinsen i.H.v. 6.158 EUR und zur ESt 2008 i.H.v. 1.519 EUR festgesetzt. Die Kläger stellten einen Antrag, die bestandskräftig gewordenen Zinsfestsetzungen so zu ändern, dass der Zinsberechnung für den auf die Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge entfallenden Teil-Unterschiedsbetrag jeweils ein Zinsbeginn von 15 Monaten nach dem Erlass der geänderten ESt-Bescheide zugrunde gelegt werden. Das FA lehnte dies ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 27.3.2019, 3 K 1602/18, Haufe-Index 13722440, EFG 2020, 565).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. § 233a Abs. 5 AO enthält eine eigene Korrekturvorschrift. Danach ist eine Zinsfestsetzung zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende KSt. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen.

2.§ 233a Abs. 5 AO verlangt danach zwar die Anpassung eines bestehenden Zinsbescheids an eine geänderte Steuerfestsetzung. Sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen und ermöglicht es nicht, einen unzutreffenden Zinslauf zu korrigieren, der der Berechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt. Danach kann gemäß § 233a Abs. 5 AO ein nach § 233a Abs. 2a AO aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses geänderter Zinslauf nicht berücksichtigt werden.

3. Berechnungsfehler, die – wie hier geltend gemacht – ausschließlich den Zinsbeginn, d.h. Zinslauf und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, können nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Änderungsvorschriften der §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden. Deren Voraussetzungen waren vorliegend jedoch nicht erfüllt.

4. Es bestand keine Pflicht des FA, die Zinsfestsetzungen für die Streitjahre nach § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern. Denn die geänderten ESt-Bescheide sind keine Grundlagenbescheide und die Zinsbescheide insoweit keine Folgebescheide. Die Entscheidung über die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ausschließlich und ohne Bindung an die ESt-Veranlagung zu treffen.

5. Schließlich können die Kläger auch keine Änderung der Zinsbescheide gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 129 Satz 1 AO verlangen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 Satz 1 AO sind einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbare mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. Letzteres ist vorliegend der Fall, da das FA bei Erlass der Zinsbescheide die Regelung zum besonderen Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a AO bewusst nicht angewendet hat, da es eine andere Rechtsauffassung als die Kläger hatte.

6. Im Ergebnis hatten die Kläger danach keinen Anspruch auf Korrektur der bestandskräftig gewordenen Zinsbescheide. Sie hätten diese mit dem Einspruch anfechten müssen, um zu einer materiell-rechtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zinslaufs zu gelangen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.12.2022 – VIII R 16/19

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