Leitsatz

Das FA ist auch dann noch zum Erlass einer verbösernden Einspruchsentscheidung gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO berechtigt, wenn es zuvor einen Änderungsbescheid erlassen hat, in dem es dem Einspruchsbegehren teilweise entsprochen, jedoch nicht in voller Höhe abgeholfen hat (sog. Teilabhilfebescheid).

 

Normenkette

§ 365 Abs. 3 Satz 1, § 367 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger legte gegen den ESt-Bescheid für 1999, dessen Besteuerungsgrundlagen vom FA geschätzt waren, Einspruch ein. Zur Begründung reichte er die ESt-Erklärung ein. Das FA erließ einen Änderungsbescheid (Teilabhilfebescheid), in dem es den Angaben des Klägers in der Steuererklärung bezüglich der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit folgte, die erklärten Spenden und Ausbildungskosten jedoch nicht berücksichtigte.

Mit Schreiben vom darauf folgenden Tag kündigte das FA unter Hinweis auf § 367 Abs. 2 AO an, bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit die – in dem Teilabhilfebescheid anerkannten – Aushilfslöhne für die Kinder nicht mehr als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, falls keine Arbeitsverträge vorgelegt würden oder diese einem Fremdvergleich nicht standhielten, vorausgesetzt, der Einspruch werde nicht zurückgenommen.

Der Kläger gab keine Stellungnahme ab. Das FA setzte die ESt in der Einspruchsentscheidung entsprechend herauf.

Das FG wies die Klage ab (EFG 2005, 1831).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG. Er teilte nicht die Auffassung des FG Hamburg (Urteil vom 18.12.1981, VI 206/78, EFG 1982, 283), nach der die Finanzbehörde mit dem Erlass eines dem Einspruch teilweise abhelfenden Änderungsbescheids das ihr in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO eingeräumte Recht der Selbstkontrolle verbraucht habe. Hätte der Gesetzgeber für diesen Sachverhalt eine Teilbestandskraft eintreten lassen wollen, hätte er dies ohne Weiteres im Gesetz zum Ausdruck bringen können.

Der BFH ließ ausdrücklich offen, ob eine Finanzbehörde ausnahmsweise nach Treu und Glauben an ihre in einem teilweisen Abhilfebescheid vertretene Auffassung gebunden sein könne. Denn im Streitfall habe das FA unmittelbar nach Erlass des Änderungsbescheids klargestellt, dass es die Löhne nur noch unter bestimmten, bislang nicht erfüllten Voraussetzungen anerkennen werde.

 

Hinweis

1. Die Vorgehensweise des FA im Besprechungsfall hat dem BFH Gelegenheit zur Klärung der bis dahin höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage gegeben, ob das FA im Einspruchsverfahren auch noch nach Erlass des Teilabhilfebescheids eine Verböserung in der Weise vornehmen, darf, dass die Teilabhilfe (teilweise) wieder rückgängig gemacht wird.

2. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 367 Abs. 1 AO und § 365 Abs. 3 Satz 1 AO.

Nach § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern.

Wird während des Einspruchsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, wird nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Aus dem Wortlaut der beiden Vorschriften folgt, dass für die Änderung des Teilabhilfebescheids dieselben Regeln gelten wie für den ursprünglich mit dem Einspruch angefochtenen Bescheid, soweit es sich dabei um einen Erstbescheid handelt. Bei einem Änderungsbescheid wäre § 351 Abs. 1 AO zu berücksichtigen.

3. Eine den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung hätte vorausgesetzt, dass die wortlautgemäße Auslegung nicht dem Gesetzeszweck entsprochen hat. Dafür sind keine Anhaltspunkte zu erkennen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.9.2006, XI R 51/05

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