Leitsatz

Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt nicht allein deshalb zu Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, weil die Kapitalbeteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und nur Arbeitnehmern angeboten worden war.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 34 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte als Vorstand einer Tochtergesellschaft des A-Konzerns Lohneinkünfte, die das FA um 38 849 DM erhöhte, weil der Kläger 1997 von seinem Arbeitgeber "EVA-Zertifikate" für 100 000 DM erworben und 1999 zum Kurswert von 138 849 DM zurückgegeben hatte. Die Zertifikate (Schuldverschreibungen) konnten leitende Angestellte des A-Konzerns und dessen Tochtergesellschaften als Unternehmensbeteiligung erwerben. Die Haltedauer betrug maximal 10 Jahre, nach einer Mindesthaltefrist von 5 Jahren konnten sie zum Kurswert zurückgegeben werden. Bei Ausscheiden aus dem Unternehmen hatten Arbeitnehmer und Emittent jeweils ein Kündigungsrecht. Die Zertifikate waren nur mit Zustimmung der Firma und nur auf andere Zeichnungsberechtigte oder auf Ehepartner, Eltern oder Kinder übertragbar. Der Kurswert richtete sich nach der Marktentwicklung des Unternehmens (Economic Value Added – EVA) zuzüglich 6 % auf Grundlage des erzielten Jahresergebnisses nach Steuern vor den Kosten des Eigen- und Fremdkapitals.

Der Kläger begehrte erfolglos, den Gewinn als privates und nach Ablauf der Jahresfrist nicht steuerbares Veräußerungsgeschäft (§ 22, § 23 Abs. 1 EStG) zu erfassen. Das FG nahm Lohn an und wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2006, 6 K 105/06, Haufe-Index 1643989, EFG 2007, 512).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Feststellungen des FG trugen aus den unter Praxishinweisen dargestellten Erwägungen nicht dessen Würdigung, den streitigen Differenzbetrag 38 849 DM als Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.

 

Hinweis

1. Die Ausgangsfrage, ob ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis stammt (dann Lohn) oder ob er wegen anderer nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird, war schon wiederholt entschieden (vgl. BFH, Urteil vom 19.06.2008, VI R 4/05, BFH/NV 2008, 1611, BFH/PR 2008, 428 m.w.N.). Der Besprechungsfall präzisiert dazu weiter. Entscheidend ist die genutzte Erwerbsgrundlage: Überlässt etwa der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Grundstück mietweise oder beteiligt sich an seinem Arbeitgeber kapitalmäßig, können Grund- und Aktienbesitz eigenständige Erwerbsgrundlagen sein, sodass Einnahmen daraus in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen.

2. Hier lagen eigenständige Sonderrechtsbeziehungen (Zertifikatsbegebung) vor. Dennoch hatte das FG nicht die Kapitalüberlassung, sondern das Arbeitsverhältnis als Grundlage der streitigen Kursgewinne gesehen. Die vom FG dafür zur Begründung herangezogenen BFH-Urteile zur Wandelanleihe (BFH, Urteile vom 23.06.2005, VI R 10/03, BFH/NV 2005, 1706, BFH/PR 2005, 368; VI R 124/99, BFH/NV 2005, 1702, BFH/PR 2005, 367) stützten das nach Auffassung des BFH nicht. Denn dort lag ein offenkundig allein durch das Arbeitsverhältnis veranlasster Vorteil vor, weil der Arbeitgeber verbilligten Aktienbezug gewährte. Eine solche verbilligte Überlassung der Zertifikate war hier nicht festgestellt. Und dass die Zertifikate nur leitenden Angestellten angeboten wurden und ein Sonderkündigungsrecht bestand, genügte auch nicht; denn dies war auch allein mit der angestrebten Mitarbeiterbeteiligung zu erklären. Das schließt ein Sonderrechtsverhältnis, das unabhängig vom Arbeitsverhältnis besteht und insbesondere den gesamten Leistungsaustausch der Vertragspartner abbildet, ohne dass daneben noch Raum für eine lohnsteuerrechtlich erhebliche Leistung bliebe, nicht aus. Mitarbeiterbeteiligungen sind im Umfang ihrer Verbilligung zwar Lohn, aber damit erwirtschaftete Kursgewinne und -verluste keine Einkünfte i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Insoweit gibt es keine "Infektionstheorie".

3. Nachdem das FG auch die Anwendung des § 34 EStG (Fünftelregelung) verneint hatte, blieb für den Fall, dass sich im zweiten Rechtsgang tatsächlich ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil ergeben sollte, der Hinweis auf die neueste Rechtsprechung des VI. Senats zu § 34 EStG (BFH, Beschluss vom 10.07.2008, VI R 70/06, BFH/NV 2008, 1828, m.w.N.).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.06.2009 – VI R 69/06

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