BMF, 9.12.2011, IV D 2 - S 7330/09/10001 :001

Bezug: BFH-Urteile 22.10.2009, V R 14/08 (BStBl 2011 II S. 988) und 9.12.2010, V R 22/10 (BStBl 2011 II S. 996)

Im Urteil vom 22.10.2009, V R 14/08 (BStBl 2011 II S. 988) führt der BFH aus, dass spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote die Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner in voller Höhe im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer und dementsprechend der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der Umsatzsteuerbetrag erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die Eröffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfüllt.

Mit Urteil vom 9.12.2010, V R 22/10 (BStBl 2011 II S. 996) hat der BFH entschieden, dass in dem Fall, in dem der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte steuerpflichtige Leistung vereinnahmt, die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollversteuerung eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

Die BFH-Urteile haben Auswirkungen auf die Berichtigung des Entgelts für ausgeführte steuerpflichtige Leistungen sowie den Vorsteuerabzug.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1.10.2010 (BStBl 2010 I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 9.12.2011, IV D 2 – S 7333/11/10001 (2011/0989130), BStBl 2011 I S. 1272, geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. In Abschnitt 17.1 Abs. 5 wird Satz 5 gestrichen. Die bisherigen Sätze 6 bis 14 werden die Sätze 5 bis 13.
  2. In Abschnitt 17.1. werden die folgenden Absätze 11 bis 15 angefügt:

    „Uneinbringlichkeit im Insolvenzverfahren

    (11) 1Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers geht nach § 80 Abs. 1 InsO die gesamte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Empfangszuständigkeit für die offenen Forderungen auf den Insolvenzverwalter über. 2Demzufolge kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. 3Dabei handelt es sich um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen sowie einen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil. 4Der Unternehmer ist auf Grund des Übergangs der Empfangszuständigkeit für die offenen Forderungen auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO selbst nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zu vereinnahmen. 5Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt daher spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil ein (Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen). 6Der Steuerbetrag ist deshalb nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. 7Vereinnahmt der Insolvenzverwalter später das zunächst uneinbringlich gewordene Entgelt, ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen. 8Diese auf Grund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.2010, V R 22/10, BStBl 2011 II S. 996). 9Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen.

    Beispiel:

    1Über das Vermögen des U wurde am 15. 7. 01 das Insolvenzverfahren eröffnet.

    2Nach dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters hatte U zu diesem Zeitpunkt Forderungen aus umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von 119.000 EUR. 3Hierin ist die Umsatzsteuer in Höhe von 19.000 EUR enthalten. 4U hatte diese Umsätze in den entsprechenden Voranmeldungszeiträumen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet. 5Der Insolvenzverwalter vereinnahmt im März 02 (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) Forderungen in Höhe von 59.500 EUR. 6Die restlichen Forderungen kann der Insolvenzverwalter nicht realisieren.

    7U kann seine Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr selbst realisieren. 8Die Forderungen sind aus rechtlichen Gründen uneinbringlich (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 UStG). 9Im Voranmeldungszeitraum der Insolvenzeröffnung ist daher eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage um 100.000 EUR vorzunehmen...

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