Leitsatz

Vorstellungen und Vorbesprechungen der Beteiligten, die nicht explizit Gegenstand der tatsächlichen Verständigung geworden sind, sind unmaßgeblich. Lediglich offene Einigungsmängel können insoweit eine Bindung an die tatsächliche Verständigung ausschließen.

 

Sachverhalt

Der Kläger betreibt ein Unternehmen auf den Gebieten des Reisegewerbes (unter anderem Obst- und Gemüsehandel), des gewerblichen Güterkraftverkehrs sowie der Fahrzeugaufbereitung. Wegen erheblicher Mängel in der Buch- und Kassenführung wurde eine tatsächliche Verständigung geschlossen, nachdem zuvor bereits ein Strafverfahren unter anderem wegen Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen eingeleitet worden war. Die tatsächliche Verständigung erfolgte im Rahmen der Schlussbesprechung zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Jahr 2013 in den Diensträumen des Hauptzollamtes, Finanzgruppe Schwarzarbeit, unter Teilnahme eines Strafverteidigers, eines steuerlichen Beraters, eines Steuerfahndungsprüfers, eines Sachbearbeiters der Deutschen Rentenversicherung und weiterer Finanzbeamten.

Nach der tatsächlichen Verständigung sollte für 2013 eine Umsatzzuschätzung in Höhe von insgesamt 35.000 EUR erfolgen. Im Rahmen des geänderten Umsatzsteuerbescheides berücksichtigte das Finanzamt weitere "nicht versteuerte Umsätze laut Bankunterlagen." Diese hätten sich aus den in der Buchführung nicht erfassten, aber auf den Bankkonten vereinnahmten Entgelten ergeben.

 

Entscheidung

Die Klage hatte teilweise erfolgt. Ist eine tatsächliche Verständigung wegen erheblicher Mängel in der Buch- und Kassenführung geschlossen worden, umfasst diese sowohl die Schätzung von Mehrumsätzen als auch die Berücksichtigung von Umsätzen, die sich aus in der Buchführung nicht erfassten, auf den Bankkonten vereinnahmten Entgelten ergibt, da beides eine unvollständige Erfassung vereinnahmter Umsätze beinhaltet. Das beklagte Finanzamt kann sich nicht darauf berufen, dass tatsächliche Verständigungen im Allgemeinen nur für unklare Sachverhalte geschlossen würden und die strittigen Umsätze damit als klarer Sachverhalt neben der tatsächlichen Verständigung Berücksichtigung finden müssten. Insoweit sind die Vorstellungen und Vorbesprechungen der Beteiligten, die nicht explizit Gegenstand der tatsächlichen Verständigung geworden sind, unmaßgeblich, da versteckte Einigungsmängel im Sinne von § 155 BGB von einer getroffenen tatsächlichen Verständigung erfasst werden. Lediglich offene Einigungsmängel können insoweit eine Bindung an die tatsächliche Verständigung ausschließen. Eine Anfechtungserklärung seitens des Finanzamtes lag insoweit nicht vor.

 

Hinweis

Anscheinend ergaben sich aus Sicht der Finanzverwaltung aus der Auswertung von Bankunterlagen zusätzliche Transporterlöse, die als eindeutig beurteilt wurden. Zwar ging offenbar aus dem Aktenvermerk über die Schlussberechnung hervor, dass auch über zusätzliche Transporterlöse gesprochen wurde, es ging aber gerade nicht daraus hervor, dass die tatsächliche Verständigung diese nicht mitumfassen sollte. Deshalb hat nach Ansicht des Finanzgerichts kein offener Einigungsmangel vorgelegen. Das Urteil zeigt allerdings einmal mehr, dass es sowohl aus Sicht der Finanzverwaltung als auch aus Sicht der steuerlichen Berater enorm wichtig ist, eine tatsächliche Verständigung möglichst genau abzufassen, um Streitigkeiten im Nachgang zu vermeiden.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 16.05.2019, 5 K 1303/18 U

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