Leitsatz

Erbringt ein Träger des Jugendfreiwilligendienstes, der gemäß § 11 Abs. 1 JFDG zur Gewährung von Geld- oder Sachleistungen an die Freiwilligen verpflichtet ist, Leistungen an die Einsatzstelle der Freiwilligen, die von der Einsatzstelle durch eine monatliche Pauschale vergütet wird, ist diese Leistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei.

 

Normenkette

Art. 132 Abs. 1 Buchst. g EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 1 bis § 3, § 5, § 11 JFDG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine gemeinnützige Einrichtung, betreibt ein Zentrum für Freiwilligendienste (insbesondere Freiwilliges Soziales Jahr – FSJ –, Freiwilliges Ökologisches Jahr, Zivildienst und internationaler Freiwilligendienst). Dafür stellte sie Jugendliche unterschiedlichen Einsatzstellen zur Verfügung und bereitete die Teilnehmer auf ihren Freiwilligendienst durch Beratung über die notwendigen Voraussetzungen und über ihren konkreten Einsatzbereich vor. Außerdem führte sie Lehrgänge und Qualifikationskurse mit dem Ziel durch, die Teilnehmer zu befähigen, den Freiwilligendienst anzutreten und fachgerecht abzuleisten. Ferner wurden die Teilnehmer während ihres gesamten Einsatzes von Mitarbeitern der Klägerin pädagogisch begleitet.

Die Rechtsverhältnisse der Klägerin als Trägerin des Freiwilligendienstes mit den Freiwilligen und den Einsatzstellen beruhten auf §§ 1ff. JFDG. Die Klägerin hatte sich bei der Vertragsgestaltung zum Teil für die Alternative der zweiseitigen Vereinbarungen entschieden. Die Vereinbarungen mit den Jugendlichen regelten Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Seminarteilnahmepflicht und Vergütung. Die Teilnehmer erhielten von der Klägerin regelmäßig ein sog. Taschengeld. Außerdem wurde ihnen bei Bedarf Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Weiterhin wurden die für die Freiwilligen anfallenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozial- und Unfallversicherung von der Klägerin entrichtet. Ferner begleitete die Klägerin die Freiwilligen gemäß § 5 Abs. 2 JFDG pädagogisch während der Dauer ihrer Dienste durch Fortbildungsmaßnahmen und Seminare.

Mit den gleichfalls als gemeinnützig anerkannten Einsatzstellen hatte die Klägerin zur Durchführung des Jugendfreiwilligendienstes verschiedene Rahmenverträge zum Einsatz von Freiwilligen im FSJ nach § 11 Abs. 1 JFDG abgeschlossen, in denen die Rechte und Pflichten der jeweiligen Vertragspartner im Einzelnen geregelt wurden. Die Einsatzstellen übernahmen dabei die Zahlung einer monatlichen Pauschale, mit der die Ausgaben der Klägerin für Taschengeld, Versicherungen und sonstige Aufwendungen abgedeckt wurden. Die Klägerin stellte daher den Einsatzstellen personenbezogen eine monatliche Pauschale zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Rechnung.

Im Streitjahr (2017) bestanden zwischen der Klägerin und verschiedenen Freiwilligen Freiwilligenvereinbarungen für das FSJ. Die Klägerin erstellte dabei im Rahmen des zweiseitigen Vertragsmodells nach § 11 Abs. 1 JFDG Rechnungen an Trägervereine der Einsatzstellen, in denen sie für jeweils eine/‐en Teilnehmer/‐in eine Einsatzstellenpauschale abrechnete und keine Umsatzsteuer auswies.

In ihrer beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für Oktober 2017 behandelte sie die mit diesen Rechnungen abgerechneten Leistungen als steuerpflichtig. Gegen diese Anmeldung, die gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand, erhob die Klägerin Sprungklage gemäß § 45 FGO, der das FA zustimmte und die das Finanzgericht als begründet ansah. Nach seinem Urteil sind die Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei (Hessisches FG, Urteil vom 17.12.2018, 1 K 2306/17, Haufe-Index 13158356, EFG 2019, 1477).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

1.Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sieht eine sehr weitgehende Steuerfreiheit für den Sozialbereich vor.

a) Diese Bestimmung erfasst insbesondere eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die Einrichtungen erbringen, die im jeweiligen Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind.

b) Das nationale Recht setzte dies bis zum Jahresende 2019 in § 4 Nr. 16 und Nr. 18 UStG nur ungenügend um, so dass sich Unternehmer immer wieder auf eine weiter gehende Steuerfreiheit nach dem Unionsrecht berufen konnten.

c) Für die seit 1.1.2020 bestehende Rechtslage dürfte dieses Berufungsrecht durch die Neuregelung in § 4 Nr. 18 UStG allerdings weitgehend entfallen sein. Die Neuregelung beschränkt die Steuerfreiheit – außerhalb des Bereichs öffentlicher Einrichtungen – auf die Unternehmer, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Dies ist unionsrechtlich nach Art. 133 Buchst. a MwStSystRL zulässig. Damit dürften insbesondere Einzelunternehmer die Möglichkeit zur Berufung auf eine unionsrechtlich abgeleitete Steuerfreiheit in diesem Bereich verloren haben.

2. Der BFH hatte bereits zum früheren Zivildienst entschieden, dass sich ein Unternehme...

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