Sachverhalt

Schönheitschirurg S hat nach Abschluss aller notwendigen Ausbildungsschritte eine chirurgische Fachklinik eröffnet, in der er zu ca. 50 % steuerfreie ärztliche Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG und zu ca. 50 % steuerpflichtige schönheitschirurgische Leistungen ausführt. Da er seine Praxis gerne in eigenen Räumen unterhalten wollte, hatte er zusammen mit seinem Vater 2020 die V & S GmbH gegründet, die ein Grundstück erworben und darauf eine den individuellen Ansprüchen des S entsprechende Praxis errichtet hatte (Baukosten 2 Mio. EUR zzgl. 19 % USt). Die Praxis wurde ab Bezugsfertigkeit am 1.4.2021 zu einem marktüblichen Mietzins an S vermietet.

Gesellschafter der V & S GmbH waren jeweils zu 50 % Vater V und Sohn S. Sowohl V als auch S sind jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der V & S GmbH, die außer der an S vermieteten Immobilie keine weitere Tätigkeit unterhält.

Aus Anlass des Osterfests 2023 schenkt V seinem Sohn 25 % seiner Anteile an der V & S GmbH per 1.4.2023. V ist auch bereit – soweit umsatzsteuerrechtlich sinnvoll – Einschränkungen bei der Geschäftsführungstätigkeit zu akzeptieren.

Fragestellung

V und S möchten wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen sich aus der Anteilsübertragung der Anteile von V an S ergeben können und welche weiteren Schritte für eine optimale umsatzsteuerrechtliche Gestaltung unternommen werden sollten.

Lösung

S ist als Schönheitschirurg unternehmerisch tätig, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist.[1] Zu seinem Unternehmen gehört die Tätigkeit als Schönheitschirurg.

Die Umsätze des S sind regelmäßig an seinem Unternehmenssitz ausgeführt[2] und damit im Inland steuerbar.[3] Soweit er Leistungen ausführt, die der Behandlung, Heilung oder Vorsorge vor Krankheiten dienen, sind sie nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei und schließen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug aus.[4] Die schönheitschirurgischen Maßnahmen, die nicht auf einer medizinischen Indikation beruhen, fallen nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG.

 
Praxis-Tipp

Schönheitschirurgische Leistungen auch nach Unionsrecht nicht steuerfrei

Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur dann als Heilbehandlung steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist.[5] Diese in Deutschland angewandten Rechtsgrundsätze sind im Ergebnis auch mit der Rechtsprechung des EuGH[6] vereinbar.

S führt damit sowohl den Vorsteuerabzug ausschließende als auch den Vorsteuerabzug zulassende Ausgangsumsätze aus.

Die V & S GmbH ist selbst Unternehmer, da sie ebenfalls selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Umsätze ausführt. Die GmbH ist bis Ende März 2023 auch nicht unselbstständig in ein anderes Unternehmen eingegliedert, da eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft an einer finanziellen Eingliederung scheitert. Da Gesellschafter S nur 50 % der Anteile hält, kann er keine Kapitalmehrheit innehaben. Eine Zusammenrechnung mit den Anteilen, die von seinem Vater gehalten werden, kann grundsätzlich nicht in Betracht kommen.

 
Praxis-Tipp

Eigene Mehrheit nach BFH-Rechtsprechung notwendig

Nach der Rechtsprechung des EuGH könnte sich auch etwas anderes ergeben, da ein Über- und Unterordnungsverhältnis nicht zwingend vorgeschrieben sein muss. Eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen 2 Unternehmen kann für eine solche Verflechtung ausreichend sein. Unternehmer können sich aber nicht unmittelbar auf die Rechtsprechung des EuGH berufen.[7] Der BFH[8] hat in seiner Folgerechtsprechung aber festgestellt, dass der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügen muss. Nach der Rechtsprechung des EuGH[9] kommt es nur auf die Kapitalmehrheit an, eine Stimmrechtsmehrheit kann unionsrechtlich nicht noch zusätzlich gefordert werden.

Die Vermietung der Praxis an S ist ein am Grundstücksort ausgeführter Umsatz[10], der steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist. Die Vermietung ist grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei. Zu prüfen ist, ob für die GmbH ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG in Betracht kommen kann. Dabei müssten die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 UStG erfüllt sein. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG sind erfüllt, da der Mieter (S) Unternehmer ist und die Räume auch für Zwecke seines Unternehmens anmietet. Weitere Voraussetzung für den Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach § 9 Abs. 2 UStG, dass der Mieter bezüglich der ihm berechneten Umsatzsteuer (vollständig) zum Vorsteuerabzug berechtigt sein muss. Die von der Finanzverwaltung[11] gewährte Vereinfachungsregelung, nach der eine bis zu 5 % vorsteuerabzugsschädliche Verwendung für die Option des Vermieters unschädlich ist, kommt hier nicht zur Anwendung, da S die Räume zu 50 % für vorsteuerabzugsschädliche Zwecke nutzt. Da S die Räume auch für die nicht den Vo...

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