Leitsatz

Ein Erstbescheid, der in der unzutreffenden Annahme der Nichtigkeit eines vorangegangenen nach § 165 AO vorläufigen Bescheids ergeht, kann gem. § 128 AO auch noch im Revisionsverfahren in einen Änderungsbescheid i.S.d. § 165 Abs. 2 AO umgedeutet werden, sofern die das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) ausreichen, den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt worden ist und sie in ihrer Rechtsverteidigung hierdurch nicht beeinträchtigt sind.

 

Normenkette

§ 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 128, § 157 Abs. 1 Satz 2, § 165 Abs. 1, § 165 Abs. 2 AO, § 118 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, die Immobilienfonds auflegt und vertreibt. Sie erwarb mit einer einzigen Urkunde vom 28.12.1994 Grundstücke für einen Fonds A und einen Fonds B. In der Urkunde wurden ferner mit einem Bauträger jeweils ein Bauvertrag über die Errichtung von Gebäuden auf den Grundstücken für den Fonds A und den Fonds B geschlossen. Die Urkunde wies – getrennt nach Fonds A und Fonds B – die Grundstückspreise, die darauf entfallende USt sowie die Vergütung für die Errichtung der Gebäude aus.

Das FA erließ nacheinander folgende GrESt-Bescheide mit den wiedergegebenen Angaben:

14.02.1996

Erwerb: "Kaufvertrag vom 28.12.1994"

GrESt: 496 445 DM

Bemessungsgrundlage: Kaufpreis und USt für den Erwerb der Grundstücke betreffend den Fonds A

Erläuterungen: Der Bescheid ergehe teilweise vorläufig "wegen der Übernahme weiterer Kosten durch übernommene und abgeschlossene Verträge... Die vorliegenden Verträge bilden ein einheitliches Vertragswerk. Die GrESt bemisst sich nach dem Gesamtaufwand...."

Der Bescheid wurde bestandskräftig.

29.12.1999

Erwerb: "Vorgang vom 28.12.1994 betreffend den Kaufgegenstand Fonds A"

GrESt: 2 123 920 DM

Bemessungsgrundlage: Grundstückskaufpreis und Bauvergütung bezüglich Fonds A

Erläuterungen: Der Bescheid vom 14.02.1996 sei unbestimmt und daher nichtig. Es sei nicht erkennbar, welche Grundstücke den Erwerbsgegenstand bilden sollten.

Auf die Klage gegen den Bescheid vom 29.12.1999 deutete das FG diesen in einen Berichtigungsbescheid nach § 129 AO um (EFG 2006, 156). Der Bescheid vom 14.02.1996 sei zwar nicht nichtig. Es habe erkennbar der gesamte mit dem Vertrag vom 28.12.1994 verbundene Grunderwerb besteuert werden sollen. Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage habe aber eine offenbare Unrichtigkeit vorgelegen.

Mit der Revision vertrat der Kläger die Ansicht, die Umdeutung sei unzulässig.

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG – und im Übrigen auch der Klägerin – darin, dass der Bescheid vom 14.02.1996 hinreichend bestimmt und damit wirksam war. Er nahm aber mit der Klägerin an, es sei erkennbar gewesen, dass nur der Erwerbsvorgang betreffend den Fonds A habe besteuert werden sollen. Der BFH folgte dem FG ferner darin, dass ein als Erstbestand gedachter Steuerbescheid in einen Änderungs- oder Berichtigungsbescheid umgedeutet werden könne. Er meinte jedoch, der Bescheid sei statt in einen Berichtigungsbescheid nach § 129 AO in einen Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 AO umzudeuten.

 

Hinweis

1. Zur hinreichenden Bestimmtheit eines Steuerbescheids gehört gem. § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO, dass erkennbar ist, welcher Sachverhalt besteuert werden soll. Bei der Besteuerung eines Grunderwerbs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG genügt zur Angabe des Erwerbsvorgangs, der erfasst werden soll, regelmäßig die Angabe des Kaufvertrags bzw. des anderen den Übereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts.

2. Der Streitfall wies allerdings die Besonderheit auf, dass in einer notariellen Urkunde mehrere Erwerbsvorgänge vereinbart waren und diese Erwerbsvorgänge jeder für sich Grundstücke mit noch zu errichtenden Gebäuden zum Gegenstand hatten. Da derartigen Erwerbsvorgängen zumeist ein Grundstückskaufvertrag und ein Bauerrichtungsvertrag zugrunde liegen, hat sich dafür der Begriff des einheitlichen Vertragswerks eingebürgert. Wenn bei einem solchen Sachverhalt – wie im Streitfall geschehen – das FA als maßgebliches Rechtsgeschäft die besagte Urkunde nennt, als Bemessungsgrundlage aber nur den Kaufpreis für eines der beiden betroffenen (unbebauten) Grundstücke berücksichtigt und seinen Vorläufigkeitsvermerk wie unten wiedergegeben begründet, wirft dies die Frage nach der Bestimmtheit zum einen des Bescheids und zum anderen des Vorläufigkeitsvermerks auf.

3. Der BFH nahm aufgrund der Bemessung der Steuer ausschließlich nach dem Kaufpreis für einen der Erwerbsvorgänge an, der Bescheid habe sich mit hinreichender Bestimmtheit nur auf diesen Erwerbsvorgang bezogen. Da im Vorläufigkeitsvermerk von "weiteren Kosten durch übernommene und abgeschlossene Verträge" und von einem einheitlichen Vertragswerk die Rede war, hielt er es auch für hinreichend deutlich, dass die Vorläufigkeit die Vergütung für die Gebäudeerrichtung bezüglich dieses Erwerbsvorgangs – und nicht etwa den anderen Erwerbsvorgang – betreffen sollte.

4. Für den BFH ergab sich somit, dass ein nach § 165 Abs. 2 AO änderbarer Bescheid vorlag...

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