Leitsatz

Wenn eine Erzeugerorganisation i.S. von Art. 11 der VO Nr. 2200/96/EG bei Vorlieferanten Gegenstände kauft, diese Gegenstände an ihr angeschlossene Mitglieder weiterliefert und von diesen eine nicht den Einkaufspreis deckende Zahlung erhält, ist der Betrag, den ein Betriebsfonds i.S. des Art. 15 der VO Nr. 2200/96/EG an die Erzeugerorganisation für die Lieferung dieser Gegenstände an die Erzeuger zahlt, Teil der Gegenleistung für die Lieferung an die Erzeuger und daher als Entgelt von dritter Seite anzusehen (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil C vom 09.10.2019 – C‐573/18 und C‐574/18, EU:C:2019:847, DStR 2019, 2202).

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2, § 3 Abs. 1 und Abs. 12 UStG, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 20, Art. 27 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 11, Art. 15 EGV 2200/96, § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine eG, ist infolge Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der M-eG. Der M-eG gehörte eine Vielzahl von Obst- und Gemüsebauern (Erzeuger) als Genossenschaftsmitglieder an.

Die M-eG war in den Jahren 2002 und 2003 (Streitjahre) als Großhändlerin für Obst, Gemüse und Kartoffeln tätig, indem sie die von ihren Mitgliedern produzierten und an sie gelieferten Produkte weiter­vermarktete. Die M-eG war außerdem eine anerkannte Erzeugerorganisation i.S.d. VO Nr. 2200/96.

Die M-eG hatte einen sog. Betriebsfonds als Zweckvermögen des privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) eingerichtet, der sich je zur Hälfte aus Beiträgen der Erzeuger und einer finanziellen Beihilfe der EU speiste.

Mit den Mitteln des Betriebsfonds finanzierte die M-eG im Rahmen sog. "Operationeller Programme" Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Erzeugerorganisation. Vereinbart wurde der gemeinsame Erwerb eines Vertragsgegenstands. Die Vertragspartner wurden Miteigentümer zu gleichen Teilen.

Den Kaufpreis des Vertragsgegenstands, den die M-eG vom Vorlieferanten erworben hatte, zahlte der Erzeuger nur zur Hälfte. Die andere Hälfte des Kaufpreises des Vertragsgegenstands zahlte der Betriebsfonds.

Nach Ablauf der Zweckbindungsfrist übertrug die M-eG ihren Miteigentumsanteil unentgeltlich auf den Erzeuger.

Die M-eG sah in ihren USt-Erklärungen die vom Betriebsfonds gezahlten Beträge nicht als Entgelt für Lieferungen an die Erzeuger an.

Das FA vertrat die Auffassung, die M-eG habe den jeweiligen Erzeugern von vornherein die Verfügungsmacht an dem gesamten Vertragsgegenstand (und nicht nur hinsichtlich des hälftigen Anteils) verschafft und damit eine Lieferung ausgeführt. Auf die Ausgangsumsätze der M-eG an die jeweiligen Erzeuger sei jedoch die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG i.V.m. Abs. 4 UStG anzuwenden.

Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2016, 1 K 2068/13 U, Haufe-Index 10449140, EFG 2017, 517) wies die Klage ab. Es nahm an, die Zahlungen aus dem Betriebsfonds i.H.v. 50 % der Anschaffungskosten des jeweiligen Vertragsgegenstands seien Entgelte von dritter Seite, sodass die Mindestbemessungsgrundlage nicht angewendet werden müsse.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Bei dem Besprechungsurteil handelt es sich um die Nachfolgeentscheidung zum EuGH-UrteilC (EuGH, Urteil vom 9.10.2019, C‐573/18, C‐574/18, Haufe-Index 13473660), mit dem der EuGH auf Vorlage des BFH (BFH, Beschluss vom 13.6.2018, XI R 5/17, BFH/NV 2018, 1225) entschieden hatte, dass unter Umständen – wie in den Ausgangsverfahren – der Betrag, den ein Betriebsfonds an eine Erzeugerorganisation für die Lieferung von Gegenständen an die Erzeuger zahlt, als von einem Dritten gezahlte, unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subvention zur Gegenleistung für diese Lieferung zählt. Dies setzt der BFH mit dem Urteil um.

2. Der BFH hatte den EuGH außerdem gefragt, ob im Streitfall ein tauschähnlicher Umsatz vorliegen könnte. Diese Frage hat der EuGH jedoch nicht beantwortet. Der BFH hat dies nun offengelassen, weil die Revision ohnehin aufgrund der Erwägungen unter 1. in vollem Umfang unbegründet war.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.01.2020, XI R 26/19 (XI R 5/17)

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