Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein nachträglicher Betriebsausgabenabzug des früheren Betriebsinhabers für unzutreffend vor der unentgeltlichen Betriebsübertragung in der Bilanz des gewerblichen Einzelunternehmens nicht durch eine Rückstellung berücksichtigte rückständige Sozialversicherungsbeiträge. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 7/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Überträgt eine Steuerpflichtige ein gewerbliches Einzelunternehmen unentgeltlich „mit sämlichen Aktiva und Passiva” auf einen Angehörigen, ist von einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Sinne von § 6 Abs. 3 EStG auszugehen. Auch die Übernahme von Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs stellt kein Veräußerungsentgelt dar, sondern sie mindert vielmehr lediglich den Wert des übertragenen Vermögens. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Übertragung eines Betriebs, dessen steuerliches Kapitalkonto negativ ist.

2. Ist bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Wirtschaftsjahr der Betriebsübertragung aufgrund mehrerer vom Sozialversicherungsträger angestrengter gerichtlicher Verfahren sowie arbeitgerichtlicher Entscheidungen bereits erkenbar, dass das Einzelunternehmen als Arbeitgeber für vor der Betriebsübertragung liegende Zeiträume mutmaßlich Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer pflichtwidrig nicht abgeführt hat und mit entsprechenden Nachforderungen rechnen muss, muss dieser Sachverhalt spätestens in Bilanz für den Zeitpunkt der Betriebsübertragung durch Bildung einer Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten berücksichtigt werden.

3. Wurde jedoch in der Bilanz des Einzelunternehmens weder vor noch nach der Betriebsübertragung eine Rückstellung wegen der streitigen rückständigen Sozialversicherungsbeiträge gebildet, hat zunächst der Angehörige als Rechtsnachfolger Ratenzahlungen auf die Sozialversicherungsbeiträge geleistet und wird nunmehr wegen finanzieller Schwierigkeiten des Betriebsnachfolgers die frühere Inhaberin, die nach dem dem abschließenden Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für Zeiträume vor der Betriebsübertragung alleine schuldet, vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommen, darf sie die auf die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge geleisteten Zahlungen nicht in den jeweiligen Jahren der Zahlung als nachträgliche Betriebsausgaben abziehen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 3 Sätze 1, 3, § 4 Abs. 1, 4, § 5 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 2 S. 1, §§ 15, 24 Nr. 2; HGB § 249 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist der Abzug nachträglicher Betriebsausgaben für in den Jahren 2014, 2015 und 2016 von der Klägerin geleisteten Zahlungen an die A.

Die Kläger sind nach den §§ 26, 26b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammenveranlagte Ehegatten. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Die Klägerin betrieb ab dem 1. Mai 2000 bis zum 30. September 2004 in B ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches unter anderem auch die Tätigkeiten von Malern und Lackierern umfasste. Dieses hatte sie von V übernommen.

Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin am 3. September 2003, an die A 46.813,86 EUR zu zahlen, da es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 i. H. v. 46.813,86 EUR verpflichtet sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Versäumnisurteil vom 28. Februar 2005 zurück.

Mit weiterem Urteil ebenfalls vom 3. September 2003 verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin, aus den vorgenannten Gründen betreffend den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 45.881,20 EUR an die A zu zahlen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 28. Februar 2005 zurück.

Darüber hinaus erging am 11. März 2005 ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C gegen die Klägerin, mit der diese verurteilt wurde, an die A einen Betrag in Höhe von 92.721,64 EUR zu zahlen.

Außerdem nahm die A durch eine am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobene Klage die Klägerin auf Auskunft in Anspruch. Nachdem die Klägerin sich bereit erklärte, die begehrte Auskunft zu erteilen und bei der A am 20. Dezember 2005 vollständig ausgefüllte Beitragsmeldungen für den Zeitraum von Januar 2002 bis einschließlich September 2004 eingingen, nahm die A die Auskunftsklage zurück.

In Folge der daraufhin am 21. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht C erhobenen Klage wegen Beitragsverpflichtungen auf der Grundlage der vorgenannten Meldungen machte die A rückständige Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. September 2004 gegenüber der Klägerin und ihrem Vater als Gesamtschuldner geltend. Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin und V als Gesamtschuldner im vorgenannten Verfahren zunächst durch Versäumnisurteil vom 2. März 2007 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.848,22 EUR an die A ...

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