rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Irrtümliche Annahme der Steuerschuldnerschaft des Empfängers von Bauleistungen. Nachforderung der Umsatzsteuer vom leistenden Unternehmer. Abtretung der Forderung gegen den Leistungsempfänger an das FA. Ermessen. Anfechtbarkeit. Pflicht des FA zur Prüfung des Bestehens einer abtretbaren Forderung bei Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wegen Baumängeln

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entscheidung des FA, die durch den leistenden Unternehmer angebotene Abtretung der Forderung gegen den Leistungsempfänger anzunehmen, ist ein Verwaltungsakt, der von dem Leistungsempfänger mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann.

2. Die Entscheidung über die Annahme der Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs ist gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG dem Wortlaut nach „kann”) eine Ermessensentscheidung des FA, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt.

3. Unter dem Tatbestandsmerkmal des § 27 Abs. 19 S. 3 UStG „bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitzuwirken” ist im Wesentlichen die Weitergabe von Informationen und vertraglichen Unterlagen, insbesondere die Höhe des möglichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs betreffend, an das FA zu verstehen, damit das FA die Umsatzsteuer vom Bauträger nachfordern kann.

4. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 27 Abs. 19 S. 3 UStG muss das FA im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung über die Zulassung und Annahme der Abtretung – ggf. wiederholend – prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht, insbesondere, ob der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung wegen Eingreifens von Mängelgewährleistungsansprüchen bestreitet. Es ist nicht zulässig, das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs erst im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens zwischen FA und Leistungsempfänger zu klären.

5. Eine Vermutung, dass ein zivilrechtlicher Anspruch besteht oder bestanden hat, gilt auch bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den leistenden Unternehmers zumindest dann nicht, wenn das FA sowohl zum Zeitpunkt der Annahme der Abtretung als auch bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des nach § 27 Abs. 19 S. 1 UStG erlassenen Änderungsbescheides Kenntnis davon hatte, wegen welcher konkreten Baumängel der Leistungsempfänger (Bauträger) Gewährleistungsansprüche geltend macht.

 

Normenkette

UStG § 27 Abs. 19 Sätze 1, 3; AO §§ 5, 118; BGB § 362; FGO § 40 Abs. 1, § 102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.08.2019; Aktenzeichen V R 21/18)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte in ermessensgerechter Weise eine Forderungsabtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG angenommen hat und infolgedessen aus der Forderung gegen den Schuldner vorgehen kann.

In den Jahren 2012/2013 erbrachte die Firma A. (Unternehmer und Zedent) für die Klägerin (Besteller i.S.d. § 631 Abs. 1 BGB) in der A-Straße in B bis zur erfolgten Vertragskündigung Bauleistungen, für die der Leistungserbringer Forderungen i.H.v. 429.630,46 EUR geltend macht. Die im Rahmen dessen anfallende Umsatzsteuer wurde zunächst von der Klägerin entrichtet. Nach Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 22.08.2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 228) gab die Klägerin für das Jahr 2012 und das erste Quartal 2013 berichtigte Umsatzsteuererklärungen ab.

Mit Schreiben vom 16.02.2015 an den Beklagten machte die Klägerseite geltend, dass u.a. wegen der detaillierten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten durch den Bauträger eine abtretbare Forderung im Sinne des § 27 Abs. 19 UStG im Streitfall nicht bestehe.

Nach Inkrafttreten des als Reaktion auf die genannte BFH-Entscheidung verabschiedeten § 27 Abs. 19 UStG nahm der Beklagte den leistenden Unternehmer (die Firma A) durch einen am 22.04.2015 erlassenen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 als Umsatzsteuerschuldner in Anspruch und nahm am 07.05.2015 dessen Angebot auf Abtretung des behaupteten ihm gegen die Klägerin zustehenden „Anspruchs auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer” an.

Nach Annahme der Abtretung forderte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 11.11.2015 zur Zahlung von 67.059,60 EUR auf.

Im Rahmen ihres gegen die Annahme des Abtretungsangebots durch den Beklagten gerichteten Einspruchs trug die Klägerin vor, sie habe bereits 357.424,00 EUR gezahlt. Ein darüber hinausgehender Vergütungsanspruch bestehe nicht, weil Baumängel vorhanden seien. Somit sei die Forderung gemäß § 362 BGB erloschen und habe deswegen nicht abgetreten werden können. Der Antrag auf Zulassung der Abtretung habe demnach abgelehnt werden müssen. Die Entscheidung sei auch ermessensfehlerhaft gewesen, weil Bauvertragsrisiken in das Finanzverwaltungsverfahren verlagert würden.

Nach erfolglosem Einspruch verfolgt die Klägerin ihr Begehren gegen die Zulassungs- und Annahmeentscheidung des Beklagten gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG mit der Klage weiter und macht geltend:

Die Zulassung der Abtretung und die Anna...

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