rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vom Arbeitgeber für Bauarbeiter bestimmter, infolge mehrtätiger Auswärtstätigkeit nicht arbeitstäglich angefahrener Sammelpunkt als selbst „typischerweise arbeitstäglich” aufgesuchter Ort im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Fährt ein Bauarbeiter entsprechend der Weisung des Arbeitgebers jeweils von der Wohnung zum Betriebssitz des Arbeitgebers und von dort mit einem Sammelfahrzeug zu den jeweiligen Baustellen und kehrt er wegen des Einsatzes auf weit entfernten Baustellen nicht jeden Tag nach Hause zurück, sodass auch die Fahrten zum Betriebssitz nicht arbeitstäglich durchgeführt werden, so gilt gleichwohl der Betriebssitz des Arbeitgebers als „derselbe typischerweise arbeitstäglich aufgesuchte Ort” im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG, mit der Folge, dass für die Fahrten zum Betriebssitz ein Werbungskostenabzug nur in Höhe der Entfernungspauschale und nicht nach Reisekostengrundsätzen zulässig ist.

2. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG umfasst die Fälle, in denen der Arbeitnehmer bei jeder Fahrt von seinem Wohnort zum Arbeitsbeginn zunächst einen durch den Arbeitgeber bestimmten Sammelpunkt anfahren muss. Die Rechtsnorm ist also auch dann anwendbar, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Sammelort infolge der Nichtheimkehr an einzelnen Wochen bzw. Tagen tatsächlich nicht aufsucht; diese gilt jedenfalls dann, wenn der der Arbeitnehmer an den meisten Arbeitstagen (hier: 82 %) tatsächlich von der Wohnung zum Sammelpunkt gefahren ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3, Nr. 4, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.04.2021; Aktenzeichen VI R 6/19)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen an 145 Tagen (anstelle der gewährten Entfernungspauschale) geltend machen kann.

Die Kläger sind Eheleute. Sie hatten im Streitjahr 2014 die Zusammenveranlagung gewählt.

Der Kläger ist bei der A GmbH & Co. KG unselbständig als Baumaschinist beschäftigt. Der Arbeitgeber bescheinigte ihm im Kalenderjahr 2014 an 207 Tagen auf ständig wechselnden Einsatzstellen – Einsatzwechselstellen – tätig gewesen zu sein. Davon sei er an 145 Tagen mehr als acht Stunden abwesend gewesen. An 31 Tagen habe seine Abwesenheit mehr als 24 Stunden Abwesenheit von seiner Wohnung betragen. Der Arbeitgeber gab an, Pauschbeträge für Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 984,00 EUR steuerfrei ersetzt zu haben. Eine Sammelbeförderung zwischen Betrieb und Arbeitsstätte sei möglich gewesen (vgl. Bescheinigung der A GmbH & Co. KG vom 22. April 2015, Bl. 11 der Einkommensteuerakte). Darüber hinaus gab der Arbeitgeber an, dass der Kläger keiner Tätigkeitsstätte zugewiesen gewesen sei (vgl. Bescheinigung vom 19. April 2016, Bl. 24 der Einkommensteuerakte).

Zu den jeweiligen Arbeitsorten/Baustellen/Einsatzstellen gelangte der Kläger – insoweit einer betriebsinternen Anweisung folgend – jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen der Kläger (mehrtägig) übernachtet hat. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen” dauerten in der Regel die gesamte Woche. Nach Angaben des Klägers erfolgte die Abfahrt am Betriebssitz montags gegen 3:00 – 4:00 Uhr, die Rückkehr freitags ab ca. 19:00 Uhr.

Der Kläger erklärte in der Einkommensteuererklärung 2014 folgende Aufwendungen:

Fahrtkosten als Reisekosten

15 km * 145 Tage * 2 Fahrten * 0,30 EUR/km

=

1.305,00 EUR

Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten

176 Tage * 12,00 EUR

=

2.112,00 EUR

VerpflegungsmehraufwendungenalsReisekosten

31 Tage * 24,00 EUR

=

744,00EUR

Summe

4.161,00 EUR

Der Beklagte folgte dieser Aufstellung nicht. Er berücksichtigte Werbungskosten wie folgt:

Fahrtkosten als Reisekosten

15 km * 145 Tage * 0,30 EUR/km

=

653,00 EUR

Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten

145 Tage * 12,00 EUR

=

1.740,00 EUR

Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten

31 Tage*24,00EUR

=

744,00EUR

Summe

3.137,00 EUR

Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 12. Februar 2016 beantragten die Kläger, die Aufwendungen des Klägers für seine Fahrtkosten sowie die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen im ursprünglich begehrten Umfang anzuerkennen.

Mit Entscheidung vom 15. August 2016 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück (Bl. 29 – 34 der Gerichtsakte). Seine Entscheidung zu den Fahrtkosten begründete er damit, dass der Kläger für seine Fahrtaufwendungen zwischen Wohnung und seinem Arbeitssitz lediglich die Entfernungspauschale geltend machen könne. Er sei nämlich zu einem sog. „Sammelpunkt” gefahren. Verfüge ein Arbeitnehmer über keine erste Tätigkeitsstätte, könne er zwar für die Berufstätigkeit außerhalb seiner Wohnung grundsätzlich Reisekosten geltend machen. Das Gesetz durchbreche diese Rechtssystematik bezüglich des Fahrtkostenabzugs jedoch, indem es für Fahrten zu einem Sammelpunkt nur die Entf...

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