Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines einkommensteuer- und sozialversicherungspflichtig bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmers für sein in Polen lebendes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird der bei einem deutschen Arbeitgeber tätige, sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte und Einkommensteuer entrichtende Arbeitnehmer im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit eingesetzt, besteht kein Anspruch auf Kindergeld für das in Polen lebende Kind, wenn er über keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt.

2. Ein Einkommensteuerbescheid ist hinsichtlich der Einordnung des gewöhnlichen Aufenthaltes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend, da es sich bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung um unterschiedliche Verfahren handelt (vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 27.10.2010 2 K 1271/07, Revision-Az. des BFH: XI R 37/11).

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1; AO §§ 8-9; EWGV 1408/71 Art. 13

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.11.2014; Aktenzeichen III R 38/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kindergeld wegen eines behaupteten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inla nd.

Der Kläger ist der leibliche Vater seiner am 18.04.2006 geborenen Tochter, welche in Polen le bt und für die er zunächst Kindergeld in Deutschland bezog. Er ist seit März 2006 bei der X-Firma in A-Stadt beschäftigt und insoweit in Deutschland, nicht dagegen in Polen sozial-versicherungspflichtig. Die in Polen lebende Ehefrau des Klägers hat aufgrund der Höhe der Einkünfte des Klägers nachweislich keinen Anspruch auf Kindergeld in Polen. Er wurde vom Finanzamt B-Stadt mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.07.2010 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt.

Die Wohnung unter der zunächst im Kindergeldantrag vom Dezember 2007 angegebenen Adresse in C-Stadt hatte sein Cousin angemietet. Ausweislich des Schreibens des Klägers vom 06.02.2008 (vgl. Bl. 21 der Kindergeldakte) war die Anmeldung des Klägers in der Wohnung mit Einverständnis seines Cousins erfolgt und diente Korrespondenzzwecken mit der Bank, seinem Arbeitgeber usw., da er im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit für die X-Firma unterwegs sei. An den jeweiligen ausländischen Einsatzstellen wo hnt der Kläger regelmäßig in Hotels, wobei die Unterkunftskosten im jeweiligen Einsatzort vom Arbeitgeber übernommen werden.

Im Juni 2009 zog der Kläger nach B-Stadt um, wo er sich wiederum für postalische Zwecke bei einer Cousine einwohnermelderechtlich angemeldet hatte.

Mit Verfügung vom 08.10.2009 hob die Familienkasse B-Stadt die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2009 auf. Gegen diese legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Mit Schreiben vom 20.08.2010 teilte die Familienkasse B-Stadt dem Kläger mit, da er keinen Wohnsitz in Deutschland habe, sei zu klären, ob und wo er sich gewöhnlich in Deutschland aufhalte bzw. ob er ggf. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Steuerpflicht in Deutschland unterliege. Die Beklagte forderte den Kläger auf Nachweise über seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (z.B. Bescheinigungen des Arbeitgebers, Hotelquittungen etc.) ab Juli 2009 fortlaufend vorzulegen bzw. eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts nach § 1 Abs. 3 EStG vorzulegen.

Mit Schreiben vom 01.09.2010 (vgl. Bl. 101 der Kindergeldakte) trug der Kläger vor, dass er deutschlandweit auf verschiedenen Baustellen beschäftigt gewesen sei und sich daher an verschiedenen Orten in Deutschland befunden habe.

Nachdem der Kläger keine entsprechenden Unterlagen eingereicht hatte, wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe nach § 62 Abs. 1 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld, weil er weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Er sei nur mit Postanschrift bei Familienangehörigen in Deutschland gemeldet. Er habe auch keinen Nachweis des zuständigen Finanzamts über das Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG oder § 1 Abs. 3 EStG eingereicht.

Nach erfolglosem Einspruch verfolgt der Kläger sein Begehren mit der Klage weiter und macht unter Verweis auf einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 geltend, der Kläger sei im Jahr 2009 in Deutschland einkommensteuerpflichtig beschäftigt gewesen. Mit der Ausübung einer einkommensteuerpflichtigen Vollzeitbeschäftigung erfülle der Kläger gleichzeitig das gesetzliche Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland. Jedenfalls sei die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts oberschlesischer Bürger in Deutschland im Zusammenhang mit der Gewährung von Kindergeld für oberschlesische Pendler höchstrichterlich noch nicht im Sinne der Beklagten entschieden. Die Bevollmächtigten des Klägers verträten vor dem Bundesfinanzhof das vergleichbare Revisionsverfahren eines oberschlesischen Pendlers, BFH, III R 89/08. Der Prozessbe...

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