rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Abschaffung der gewerbesteuerlichen Mehrmütterorganschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der rückwirkende Ausschluss der gewerbesteuerlichen Rechtsfolgen der Mehrmütterorganschaft durch §§ 2 Abs. 2 Satz 2, 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (UntStFG) vom 20.12.2001 verfassungsgemäß ist.

2. § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG in der Fassung des UntStFG könnte allenfalls mit einer Hinzufügung in folgendem Sinne als gültig angesehen werden: „… dies gilt in Fällen der Mehrmütterorganschaft nicht für diejenigen Gesellschafter des Organträgers, die die vor dem … [Datum des Bekanntwerdens der BFH-Entscheidungen vom 9. Juni 1999] im Verfahren der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages und einem anschließenden Einspruchsverfahren oder nach dem … [wie vor] bis zum … [Datum, an dem das Vertrauen in die Fortgeltung der der BFH-Entscheidungen vom 9. Juni 1999 nicht mehr gerechtfertigt war] in einem Verfahren der einheitlichen gesonderten Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages die Eigenschaft eines Organträgers beansprucht haben und dieses Begehren aufrecht erhalten”.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 2; GewStG 1999 § 2 Abs. 2 S. 3 Fassung: 2001-12-20, § 36 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2001_12-20; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2

 

Tenor

1. Die Ablehnung der gesonderten einheitlichen Feststellung der Gewerbeerträge der XX-GmbH 1991 bis 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 20. Dezember 2001 wird vorläufig ausgesetzt. Die Aussetzung endet, wenn die finanzgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache I 639/01 rechtskräftig wird. Wird in der Hauptsache ein Rechtsmittel zum Bundesfinanzhof eingelegt, endet die Aussetzung mit der Einlegung. Wenn die Ablehnung unanfechtbar wird, endet die Aussetzung mit Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides. Solange die Aussetzung währt, ist von Gewerbeerträgen der XX-GmbH in Höhe von -370.946.339,00 DM (1991), -133.768.418,00 DM (1992), -42.226.763,00 DM (1993), -29.275.627,00 DM (1994), -2.526.160,00 DM (1995), 9.201.750,00 DM (1996), 7.569.016,00 DM (1997), 12.072.253,00 DM (1998) auszugehen, die den Antragstellerinnen je zur Hälfte zugerechnet werden und sich sodann nach Berücksichtigung von unterschiedlichen Darlehenszinsen wie folgt verteilen:

Jahr

Antragstellerin zu 1.

Antragstellerin zu 2.

1991

-185.473.169,50

-185.473.169,50

Darlehenszinsen

0,00

0,00

Anteil

-185.473.169,50

-185.473.169,50

1992

-66.884.209,00

-66.884.209,00

Darlehenszinsen

-3.470.462,00

-2.710.443,00

Anteil

-70.354.671,00

-69.594.652,00

1993

-21.113.381,50

-21.113.381,50

Darlehenszinsen

-8.382.709,00

-7.720.203,00

Anteil

-29.496.090,50

-28.833.584,50

1994

-14.637.813,50

-14.637.813,50

Darlehenszinsen

-6.559.901,00

-6.581.888,00

Anteil

-21.197.715,00

-21.219.70.1,00

1995

-1.263.080,00

-1.263.080,00

Darlehenszinsen

-5.007.693,50

-5.007.693,50

Anteil

-6.270.773,50

-6.270.773,50

1996

4.600.875,00

4.600.875,00

Darlehenszinsen

-3.155.903,00

-3.155.903,00

Anteil

1.444.972,00

1.444.972,00

1997

3.784.508,00

3.784.508,00

Darlehenszinsen

-2.076.003,00

-2.076.003,00

Anteil

1.708.505,00

1.708.505,00

1998

6.036.126,50

6.036.126,50

Darlehenszinsen

-914.085,00

-914.085,00

Anteil

5.122.041,50

5.122.041,50

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die gewerbesteuerliche Anerkennung einer Mehrmütterorganschaft.

Die Antragstellerin zu 1., die bei dem Finanzamt A-Stadt II steuerlich geführt wird, ist Rechtsnachfolgerin des VEB Y. Dieser gründete am 10. April 1990 mit der Antragstellerin zu 2. (diese seinerzeit unter der Firma YY), die bei dem Finanzamt B-Stadt steuerlich geführt wird, vor dem Staatlichen Notariat A-Stadt die XY-GmbH, A-Stadt (nunmehr XY-GmbH – mit Sitz in C-Stadt). Beide Antragstellerinnen waren am Stammkapital der XY-GmbH zur Hälfte beteiligt.

Die XY-GmbH errichtete in den Jahren 1990 bis 1992 ein Erdgastransportsystem in A, Teilen B und C mit einem Investitionsaufwand von über 800.000.000 DM, für das sie Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch nahm. Daraus ergaben sich für die XY-GmbH zunächst Verluste und negative Gewerbeerträge in erheblicher Höhe. Da sie ohnehin Anfangsverluste erzielte, konnte sie keine steuerliche Entlastung zur Finanzierung ihrer Investitionen einsetzen. Die Antragstellerinnen planten daher von vornherein, die Verluste und negativen Gewerbeerträge durch Begründung einer Organschaft auf sich überzuleiten, um die bei ihnen entstehenden steuerlichen Vorteile zur Finanzierung der XY-GmbH zu verwenden. Sie beschlossen die Gründung einer so genannten Mehrmütterorganschaft zum 1. Januar 1991, obwohl zu dieser Zeit – auf der Grundlage des Abschn. 52 Abs. 6 der Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR) und einer einheitlichen Gewinnfeststellung bei der Organträgerin – zwar die körperschaftsteuerliche Zurechnung des Einkommens der XY-GmbH zum Einkommen ...

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