Leitsatz

1. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt nur vor, wenn ein identifizierbarer Leistungsempfänger vorhanden ist, der einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt.

2. Die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter (hier: christliche Kirche und kirchennaher Verein) durch eine gemeinnützige GmbH ist keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit, wenn die Tätigkeit der GmbH einer bestimmten Personengruppe (hier: allen christlichen Kirchen) zugutekommt und sich eine Wirkung zugunsten der einzelnen Gesellschafter nur mittelbar aus diesen Vorteilen ableitet.

3. Eine aus zwei Gesellschaftern bestehende gemeinnützige GmbH kann ein Personenzusammenschluss i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRLund eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL sein.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 29, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f und l EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Im Urteilsfall gründeten eine Kirche und ein kirchennaher Verein einer anderen Kirche im Jahr 1998 eine gemeinnützige GmbH (die Klägerin), die mit journalistischen Mitteln den christlichen Verkündigungsauftrag erfüllen soll. Die Klägerin belieferte im Stil einer Nachrichtenagentur ca. 15 Tageszeitungen als Kunden mit Meldungen, die christliche Wertvorstellungen und ethische Positionen verbreiten sollten, und erhielt dafür von den Tageszeitungen eine geringe "Schutzgebühr". Der verbleidende Finanzbedarf der Klägerin wurde durch Zuwendungen der beiden kirchlichen Gesellschafter gedeckt.

Die Klägerin ging davon aus, dass sie keine Leistungen an ihre Gesellschafter erbringe und die Verlustübernahme durch ihre Gesellschafter auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhe. FA und FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.9.2018, 1 K 1967/17, Haufe-Index 12528433, EFG 2019, 290) gingen für die Jahre 2011 bis 2013 (Streitjahre) erstmals davon aus, dass die Klägerin an ihre Gesellschafter umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen in Form der "Medienarbeit" erbracht habe, für die sie die Zuwendungen der Gesellschafter als Entgelt erhalte. Ob die Leistungen aufgrund Unionsrechts steuerfrei sein könnten, wurde nicht geprüft, weil sich die Klägerin darauf nicht berufen hatte.

Im Laufe des Revisionsverfahrens berief sich die Klägerin erstmals auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG muss erstmals Feststellungen dazu treffen, ob die Leistungen der Klägerin steuerfrei sein könnten, aber auch nochmals prüfen, ob die Klägerin steuerbare Leistungen an ihre Gesellschafter erbringt.

 

Hinweis

1. Gemeinnützige Organisationen übertragen teilweise zur Kostensenkung Aufgaben auf gemeinsam gegründete, externe Rechtsträger. Im Rahmen einer "Outsourcing"-Planung stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Leistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter umsatzsteuerpflichtig sind, was die Kosten für die gemeinnützige Tätigkeit wieder erhöhen und die Ersparnis "auffressen" würde. Schwierigkeiten bei der Folgenabschätzung bereitet u.a. der Umstand, dass der deutsche Gesetzgeber das dafür seit über 40 Jahren geltende Unionsrecht immer noch nicht vollständig in das deutsche UStG übernommen hat.

a) Zu prüfen ist, ob steuerfreie Leistungen eines Personenzusammenschlusses an seine gemeinnützig tätigen Mitglieder gegen Erstattung der genauen Kosten (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, seit 1.1.2020: § 4 Nr. 29 UStG, sog. Kostenteilungsgemeinschaft) vorliegen.

b) In Betracht kommt aber auch eine Steuerbefreiung für Leistungen einer Einrichtung ohne Gewinnstreben an ihre Mitglieder zu politischen, gewerkschaftlichen, religiösen, patriotischen, weltanschaulichen, philanthropischen oder staatsbürgerlichen Zwecken gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beitrag (Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL). Diese Steuerbefreiung ist weitgehend immer noch nicht umgesetzt.

c) Die erstmalige Berufung auf günstigeres Unionsrecht ist selbst noch im Revisionsverfahren möglich, da neuer Vortrag zu Rechtsfragen nicht ausgeschlossen ist.

2. Logisch vorrangig vor der Frage einer Steuerbefreiung steht die Prüfung, ob eine steuerbare Leistung (wirtschaftliche Tätigkeit) vorliegt. Dort ist einerseits festzustellen, dass die Umsatzsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, aber andererseits ein identifizierbarer Leistungsempfänger einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt. Diesbezüglich hat das EuGH-Urteil VNLTO vom 12.2.2009, C‐515/07 (EU:C:2009:88, BFH/PR 2009, 185, Rz. 34) die Mitgliedstaaten daran erinnert, dass die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit ist. Kommen die Vorteile, die sich aus der Tätigkeit der Personenvereinigung ergeben, dem gesamten betroffenen Wirtschaftszweig zugute,...

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