Leitsatz

In Reaktion auf die geänderte BFH-Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 [1] die Steuerpflicht von Erstattungszinsen für alle offenen Fälle festgelegt. Das FG Münster hält diese rückwirkende Anordnung für verfassungsgemäß.

 

Sachverhalt

In Zusammenhang mit mehreren Einkommensteuererstattungen für weit zurückliegende Altjahre zahlte das Finanzamt den zusammenveranlagten Eheleuten im Jahr 2001 Erstattungszinsen von rund 1.800 EUR aus. Die Eheleute wehrten sich gegen den Ansatz der Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen und beriefen sich auf das BFH-Urteil vom 15.6.2010 [2]. Darin hatte sich der BFH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung erstmalig gegen die Steuerpflicht von Erstattungszinsen ausgesprochen. Zwar habe der Gesetzgeber in Reaktion auf diese Rechtsprechung mit dem JStG 2010 für alle offenen Fälle die Steuerpflicht von Erstattungszinsen angeordnet. Nach Ansicht der Eheleute verstoße diese Gesetzesänderung aber gegen das Rückwirkungsverbot.

 

Entscheidung

Das FG entschied, dass die rückwirkende Anordnung der Steuerpflicht durch das JStG 2010 verfassungsgemäß ist und die Erstattungszinsen daher zu Recht als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt wurden. Nach dem JStG 2010 sind Erstattungszinsen nach § 233a AO als Erträge aus Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG anzusetzen. Diese gesetzliche Neuregelung ist nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht rechtskräftig festgesetzt worden ist, und entfaltet daher eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Diese sog. echte Rückwirkung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, z. B. aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls oder wegen eines nicht vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen. Eine Rückwirkung ist auch zulässig, wenn das geltende Recht unklar und verworren war. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes darf der Gesetzgeber eine Rechtslage auch dann rückwirkend festschreiben, wenn die neugeschaffene Rechtslage einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entspricht, die bis zu einer Rechtsprechungsänderung galt. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2010 eine Rechtslage geschaffen, die mit der ständigen Rechtsprechung des BFH in Einklang stand und nur von der Rechtsprechungsänderung des BFH in seinem Urteil vom 15.6.2010 durchbrochen wurde. Aus diesem Grund durfte der Gesetzgeber die Steuerpflicht für alle offenen Fälle anordnen.

 

Hinweis

Während Erstattungszinsen zur Einkommensteuer als Kapitaleinkünfte zu versteuern sind, kann der Steuerpflichtige seine (an das Finanzamt gezahlten) Nachzahlungszinsen nicht steuermindernd geltend machen. Ein Ansatz als Sonderausgaben oder als Werbungskosten kommt nicht in Betracht.

Die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 1/11 anhängig. Zur gleichen Rechtsfrage läuft beim 8. Senat des BFH noch ein anderes Verfahren unter dem Az. VIII R 36/10. Einsprüche, die sich auf diese Verfahren beziehen, ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 16.12.2010, 5 K 3626/03 E

[1] Jahressteuergesetz (JStG) 2010 v. 8.12.2010, BGBl. 2010 I S. 1768

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