Einordnung des BMF-Schreibens und vertiefende Hinweise

[Ohne Titel]

RiFG Dr. Sascha Bleschick[*]

Rechtzeitig vor Ablauf der Abgabefrist der Steuererklärungen für das Jahr 2020 hat das BMF in einem sehr detaillierten Schreiben seine Sicht zur Auslegung des § 35c EStG veröffentlicht (BMF v. 14.1.2021 – IV C 1 - S 2296-c/20/10004 :006 – DOK 2021/0031094, BStBl. I 2021, 103 = EStB 2021, 75 [Bleschick]). Der Verwaltungsauffassung ist weit überwiegend zuzustimmen. Soweit dies nicht der Fall ist, beinhaltet das BMF-Schreiben überwiegend sogar gesetzlich nicht vorgesehene Privilegierungen zugunsten der Steuerpflichtigen, die einer gerichtlichen Kontrolle mangels Beschwer der Steuerpflichtigen weitgehend entzogen sein werden. Im Übrigen ist jedoch bereits jetzt ersichtlich, dass Detailfragen letztlich die Finanzgerichtsbarkeit beschäftigen werden. Die nachfolgend im Text genannten Rz. beziehen sich auf dieses BMF-Schreiben.

[*] Der Autor ist Richter am Finanzgericht Münster und wissenschaftlicher Mitarbeiter am BVerfG.

I. Begünstigtes Objekt

Nach Rz. 1 sind begünstigte Objekte grds.

  • Wohnungen einschließlich der Zubehörräume (Keller-, Abstell-, Boden-, Trocken-, Heizungsräume und Garagen)
  • im eigenen Haus (Einfamilienhaus, Eigentumswohnungen und rechtlich nicht getrennte Wohnungen im Zwei- und Mehrfamilienhaus).

Für Zubehörräume verlangt das BMF, dass die energetische Maßnahme zusammen mit der energetischen Maßnahme des begünstigten Objekts erfolgt, z.B. Dämmung der Kellerdecke (Rz. 1).

Beachten Sie: Sollte die Verwaltungsanweisung dahingehend zu verstehen sein, dass die Sanierungsmaßnahme über die Zubehörräume hinausgehen muss, würde der Gesetzeswortlaut für eine solch einschränkende Auslegung keinen Anhaltspunkt bieten. Denn wenn und soweit Zubehörräume in einem räumlichen Zusammenhang zur Wohnung stehen,[1] sind auch insoliert an Zubehörräumen ausgeführte Arbeiten an einem "zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude" gem. § 35c Abs. 1 S. 1 EStG begünstigt.

Ferien-/Zweit-/Wochenendwohnungen: Die Verwaltung geht in Rz. 1 zutreffend davon aus, dass auch zu eigenen Wohnzwecken genutzte Ferienwohnungen förderfähig sind.[2] Gleiches gilt – worauf das BMF nicht eingeht – für Zweit- und Wochenendwohnungen.[3]

Wohnung der doppelten Haushaltsführung: Wenn nach dem BMF-Schreiben (Rz. 1) auch im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzte Wohnungen förderfähig sind, gilt dies nur insoweit, als die Aufwendungen nicht als WK abzuziehen sind.[4]

Schädliche Vermietung: Indes kommt gar keine Förderung in Betracht, wenn die Wohnung (ggf. nur kurzfristig) vermietet wird (Rz. 1). Denn dann stehen die Wohnräume nicht in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu Wohnzwecken.[5]

[1] BFH v. 11.11.2014 – VIII R 3/12, BStBl. II 2015, 382 Rz. 20 = EStB 2015, 124 (Günther); BFH v. 30.1.2014 – VI B 125/13, BFH/NV 2014, 688 Rz. 4, m.w.N., jeweils zur räumlichen Verbindung eines Arbeitszimmers zur Wohnung.
[2] Ebenso: BFH v. 27.6.2017 – IX R 37/16, EStB 2017, 427 (Bleschick), zu § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG; Reddig in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 35c Rz. 10; Urban, FR 2021, 359 (360).
[3] Vgl. BFH v. 27.6.2017 – IX R 37/16, EStB 2017, 427 (Bleschick) zu § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG; Urban, FR 2021, 359 (360); Urban, FR 2020, 354 (362).
[4] Näheres unter IV.1. und XIV.
[5] Dazu sogleich unter II.

II. Begriff der Wohnung

Für den Wohnungsbegriff soll nach Auffassung des BMF die Legaldefinition in § 181 Abs. 9 BewG maßgeblich sein (Rz. 2). Allerdings zählt diese Norm nicht zu den für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben maßgeblichen "allgemeinen Vorschriften" i.S.d. § 1 Abs. 1 BewG. Dies sind nur §§ 216 BewG. Beachten Sie: Folglich

  • gilt ein ertragsteuerrechtlich eigenständiges Begriffsverständnis[6] und
  • § 181 Abs. 9 BewG kann lediglich indiziell[7] für den Wohnungsbegriff herangezogen werden.[8]

Unter Berücksichtigung dessen geht das BMF – im Ergebnis zutreffend – davon aus, dass

  • die Gesamtheit der Räume die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen muss,
  • die Gesamtheit der Räume eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben muss,
  • die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind und
  • die Art des Gebäudes selbst irrelevant ist.

Baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung ist unmaßgeblich: Zu Recht macht das BMF die Begünstigung, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch im Ergebnis nicht von einer baurechtlichen Zulässigkeit der Wohnnutzung abhängig.[9] Denn es ist auf die faktische Nutzung abzustellen, weil der vom (Bundes-)Gesetzgeber mit § 35c EStG verfolgte klimapolitische Zweck einer energetischen Sanierung[10] unabhängig von bauordnungs- bzw. baupolizeilichen Regelungswecken der Landesbauordnungen eintritt.[11]

Außerhalb der Wohnung belegene Nebenräume können in den räumlichen Anwendungsbereich von § 35c EStG fallen, wenn sie in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang zum für eigene Wohnzwecke genutzten Haushalt des Stpfl. stehen, wie z.B. Hobby-, Schwimmbad-, Saun...

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