Sachverhalt

Bei der Klage der EU-Kommission vom 18. März 2005 gegen Österreich ging es um die zutreffende umsatzsteuerliche Behandlung grenzüberschreitender Personenbeförderungen durch Unternehmer, die nicht in Österreich (sondern in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten) ansässig sind. In Österreich gilt seit dem 1. April 2002 eine Regelung (Verordnung des Bundesministers für Finanzen zu § 14 Abs. 1 Z 2 UStG 1994, BGBl. II Nr. 166/2002), wonach diese Unternehmer keine Umsatzsteuererklärung einreichen und den Saldo aus Ausgangsumsatzsteuer und Vorsteuer nicht entrichten müssen, wenn ihr in Österreich erzielter Jahresumsatz 22.000 Euro nicht übersteigt. Österreich geht in diesem Fall davon aus, dass die vom Unternehmer geschuldete Umsatzsteuer und sein Vorsteueranspruch sich aufheben. Bedingung für die Anwendung der Regelung ist, dass der Unternehmer für seine Leistungen keine Umsatzsteuer in den Rechnungen ausweist.

Die EU-Kommission hielt diese Regelung für einen Verstoß gegen die Artikel 2, 6, 9 Abs. 2 Buchst. b, 17, 18 und Artikel 22 Abs. 3 bis 5 der 6. EG-Richtlinie. Die Kommission war der Auffassung, dass die österreichische Regelung auch nicht als Pauschalregelung für Kleinunternehmer im Sinne von Artikel 24 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie aufgefasst werden kann. Es sei nicht eindeutig, dass die betroffenen Unternehmer tatsächlich Kleinunternehmer im Sinne dieser Richtlinienvorschrift seien. Auch könne die österreichische Regelung nicht auf die Entscheidung des Rates 2001/242/EG vom 19. März 2001 gestützt werden. Nach dieser Ratsentscheidung konnte Österreich abweichend von Artikel 11 der 6. EG-Richtlinie bis zum 31. Dezember 2005 die grenzüberschreitende Personenbeförderung durch nicht in Österreich ansässige Unternehmer mit Hilfe von nicht in Österreich zugelassenen Kraftfahrzeugen auf der Basis eines durchschnittlichen Beförderungsentgelts besteuern. Die Regelung ähnelt der deutschen sog. Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG.

 

Entscheidung

Der EuGH hat der Klage der Kommission insoweit stattgegeben, als er einen Verstoß Österreichs gegen die Artikel 18 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 und Artikel 22 Absätze 3 bis 5 festgestellt hat. Nach dem Urteil hat die Kommission einen Verstoß gegen die übrigen von ihr angeführten Vorschriften der 6. EG-Richtlinie nicht nachweisen können.

Der EuGH begründet den Vertragsverstoß im Wesentlichen mit Ausführungen zu Artikel 24 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Die Vorschrift räumt - als Ausnahmeregelung - den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, auf Kleinunternehmen eine Sonderregelung anzuwenden. Solche Ausnahmeregelungen sind nach ständiger EuGH-Rechtsprechung eng auszulegen. Auch Artikel 24 darf nur angewandt werden, soweit dies zur Erreichung des von dem Mitgliedstaat verfolgten Ziels erforderlich ist - vgl. EuGH, Urteil v. 8.12.2005, C-280/04 (Jyske Finans).

Aus der Vorschrift ist nach dem jetzigen Urteil nicht erkennbar, dass die Mitgliedstaaten bei der Auswahl der vereinfachten Modalitäten für die Umsatzbesteuerung über einen weiten Spielraum verfügen. Nach Artikel 24 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten "vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung und Steuererhebung, insbesondere Pauschalregelungen, anwenden". Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich - so der EuGH - (entgegen der Regelung in Artikel 24 Abs. 2 der Richtlinie) nicht entnehmen, dass die Mitgliedstaaten "Kleinunternehmen" vollständig von deren Verpflichtung zur Entrichtung von Mehrwertsteuer befreien können, da die Modalitäten für die Besteuerung lediglich vereinfacht werden können, ohne dass jedoch eine Befugnis besteht, betroffene Unternehmen vollständig von der Mehrwertsteuerpflicht zu befreien.

Im Fall einer Steuerbefreiung wie nach der österreichischen Verordnung werde die Mehrwertsteuer überhaupt nicht erhoben, so dass nicht mehr von - selbst sehr vereinfachten - "Modalitäten für die Besteuerung" gesprochen werden könne. Außerdem seinen die beispielhaft für vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung genannten "Pauschalregelungen" ein Beleg dafür, dass die Unternehmen nach Artikel 24 der 6. EG-Richtlinie tatsächlich verpflichtet sind, die Mehrwertsteuer zu entrichten. Somit schließt der Begriff der "vereinfachten Modalitäten" nicht das völlige Fehlen einer Besteuerung und Steuererhebung ein.

Der EuGH hat sich nicht mit der Frage befasst, was "Kleinunternehmen" im Sinne von Artikel 24 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie sind, bzw. welche Kriterien (Umsatzgrenzen) sie erfüllen müssen, um als solche zu gelten. Die Klage der Kommission erschien jedoch bereits insofern berechtigt, als nicht klar war, dass die betroffenen Unternehmer tatsächlich Kleinunternehmen im Sinne von Artikel 24 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie sind und dass die Maßnahme tatsächlich nicht zu einer Steuerermäßigung führt. Insoweit hätte für die betroffenen Umsätze die österreichische Beförderungseinzelbesteuerung unabhängig von dem erzielten Jahresumsatz ohnehin durchgeführt werden müssen.

 

Hinweis

Eine der österreich...

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