Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH[1], ging es um die sog. Sollbesteuerung bei der Umsatzsteuer. Bei der Sollbesteuerung[2] entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Auf die Fälligkeit oder die Vereinnahmung des Entgelts kommt es nicht an. Dies führt dazu, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auf die von ihm ausgeführten Leistungen an das Finanzamt abführen muss, auch wenn er das Entgelt noch nicht vereinnahmt hat. Sofern das Entgelt erst nach Ablauf des Voranmeldezeitraums fällig wird, muss der Unternehmer die Umsatzsteuer somit vorfinanzieren. Korrespondierend zu dieser Sollbesteuerung kann der Unternehmer aber auch sein Vorsteuerabzugsrecht unabhängig vom Fälligkeits- oder Zahlungszeitpunkt geltend machen, sobald er eine Leistung bezogen hat und ihm diese in Rechnung gestellt wurde.

Kleinere Unternehmer (mit einem Gesamtumsatz bis 500.000 EUR oder bei Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 148 AO) sowie Freiberufler (i.S.d. § 18 EStG) können dagegen beim Finanzamt die sog. Istbesteuerung[3] beantragen. Danach entsteht die Umsatzsteuer erst in dem Zeitpunkt, in dem der Unternehmer das Entgelt tatsächlich vereinnahmt. Eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den leistenden Unternehmer tritt in diesem Fall nicht ein.

Der Streitfall betraf eine Spielervermittlerin, die im bezahlten Fußball tätig ist. Bei erfolgreicher Vermittlung von Profifußballspielern erhielt sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages des Spielers zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Ratenzahlungen für diese Vermittlungsleistungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. Es erließ einen Umsatzsteuerbescheid für 2012, in dem es die anteiligen Provisionszahlungen aus der Vermittlung von Spielern, die erst im Jahr 2015 fällig waren, bereits im Streitjahr der Umsatzsteuer unterwarf. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Mit seinen Vorlagefragen an den EuGH wollte der BFH wissen, ob die unionsrechtlichen Regelungen zur Sollbesteuerung[4] - entgegen ihrem Wortlaut - einschränkend dahin auszulegen sind, dass die Umsatzsteuer erst entsteht, wenn das Entgelt fällig ist oder unbedingt geschuldet wird (1. Vorlagefrage).

Hilfsweise wollte der BFH wissen, ob die Pflicht des Steuerpflichtigen zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer mit übergeordneten Besteuerungs- und Rechtsprinzipien des Unionsrechts (Grundsätze der Proportionalität der Steuer und Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 20 EUGrdRCh) vereinbar ist (2. Vorlagefrage).

Falls der EuGH dies bejahen sollte, wollte der BFH zudem wissen, ob die Mitgliedstaaten bei hinausgeschobener Fälligkeit eine Berichtigung der Umsatzsteuer zulassen dürfen (3. Vorlagefrage).

Die Sollbesteuerung nach dem UStG entspricht den Vorgaben der Art. 63, 66 MwStSystRL. Dies stellte auch der BFH nicht in Zweifel. Er zweifelte gleichwohl daran, dass die mit der Sollbesteuerung einhergehende Vorfinanzierungspflicht der Unternehmen in Fällen, in denen der Leistungsempfänger das Entgelt erst zu einem späteren Zeitpunkt zahlt, den unionsrechtlichen Grundsätzen entspricht.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass - unter den Umständen des Ausgangsverfahrens - die USt nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern mit Ablauf des Zeitraums entsteht, auf den sich die vom Verein geleisteten Zahlungen beziehen. Zur Begründung verweist der EuGH auf die Art. 63 und 64 MwStSystRL und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH. Art. 63 MwStSystRL regelt, dass Steuertatbestand und -anspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem […] die Dienstleistung erbracht wird. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bestimmt den Zeitpunkt, zu dem Dienstleistungen als "bewirkt" anzusehen sind, wenn sie "zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben]". Hiernach sei ein Verständnis für den Ausgangsfall dahingehend möglich, dass Steuertatbestand und -anspruch erst im jeweiligen Jahr der Ratenzahlung entstanden sind.

Es sei grundsätzlich Sache des BFH als vorlegendes Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung tatsächlich zu den Leistungen zählt, die i. S. v. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL"zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben]". Allerdings sei, insoweit gibt der EuGH dem BFH Hinweise, darauf hinzuweisen, dass dies bei einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren, die in der Vermittlung eines Spielers an einen Verein für eine bestimmte Anzahl von Spielzeiten besteht und durch unter einer Bedingung stehende Ratenzahlungen über mehrere Jahre nach der Vermittlung vergütet w...

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