Kommentar

Zum 1.1.2020[1] wurde über § 4 Nr. 29 UStG national die Möglichkeit geschaffen, dass für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Leistungen die Steuerbefreiung auch für Leistungen gilt, die sog. Kostengemeinschaften an ihre Mitglieder ausführen. Die Regelung war aufgrund der Rechtsprechung des EuGH notwendig geworden. Die Finanzverwaltung hat jetzt erstmals zu dieser neuen Regelung Stellung genommen, diese allerdings nicht in den UStAE mit auf­genommen.

Die rechtliche Problematik

Schließen sich mehrere Unternehmer zu einer Kostengemeinschaft (auch Apparategemeinschaft) zusammen und erbringt die Gemeinschaft Leistungen an die Gesellschafter, handelt es sich unter den weiteren Bedingungen um unternehmerische und steuerbare Leistungen. Sind die Gesellschafter selbst aufgrund steuerpflichtiger Ausgangsleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist es umsatzsteuerrechtlich neutral, wenn für die Leistungen der Kostengemeinschaft eine Umsatzsteuer entsteht, die die Gesellschafter dann selbst wieder als Vorsteuer geltend machen können. Von besonderer Bedeutung ist aber die Notwendigkeit, steuerbefreite Leistungen von einer Gemeinschaft an die Gesellschafter (Gemeinschafter) auszuführen, wenn die Gesellschafter selbst am Markt steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Leistungen ausführen.

In Deutschland war früher nur im medizinischen Bereich eine Steuerbefreiung in solchen Fällen möglich. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a. F. waren die Leistungen der Praxis- und Apparategemeinschaften unter den dort genannten Bedingungen steuerfrei. Solche Leistungen bestanden insbesondere in der Zurverfügungstellung von medizinischen Einrichtungen, Apparaten und Geräten. Es konnten aber auch mit eigenem medizinisch-technischem Personal Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen oder andere medizinisch-technische Leistungen ausgeführt werden. Voraussetzung für die Befreiung war, dass diese Leistungen nur an Mitglieder der Gemeinschaft ausgeführt wurden und die Leistungen unmittelbar für steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder Buchst. b UStG verwendet wurden. Leistungen an Nichtmitglieder fielen nicht unter die Befreiung. Die Befreiung setzte aber nicht voraus, dass die Leistungen stets allen Mitgliedern gegenüber erbracht wurden.[2]

Umstritten war, ob die Bundesrepublik Deutschland mit dieser nur auf medizinische Leistungen ausgerichteten Befreiungsmöglichkeit gegen das Unionsrecht verstieß, da nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ein weitergehender Anwendungsrahmen vorliegt. Die EU-Kommission hatte deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland beim EuGH eingeleitet, da insbesondere nach Auffassung der Kommission auch im Finanz- und Versicherungswesen die Möglichkeit der Ausführung steuerfreier Leistungen von Gemeinschaften an ihre Gemeinschafter umgesetzt werden sollte.

Wichtig

Der EuGH[3] hatte zwar im Ergebnis dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland stattgegeben, allerdings den Anwendungsrahmen für die Möglichkeit der Ausführung steuerfreier Leistungen durch solche Gemeinschaften an ihre Gemeinschafter deutlich enger gezogen, als dies von der Kommission gesehen worden war. Die Ausführung steuerfreier Leistungen durch eine Gemeinschaft an ihre Gemeinschafter ist auf die Fälle beschränkt, in denen die Gemeinschafter steuerfreie, dem Gemeinwohl dienende Leistungen ausführen, die in Art. 132 MwStSystRL aufgeführt sind. Keine Befreiung kann sich für Kostengemeinschaften im Finanzwesen[4] und der Versicherungswirtschaft[5] ergeben.

Damit musste unionsrechtlich der Anwendungsbereich der Ausführung steuerfreier Leistungen national ausgeweitet werden. Durch die zum 1.1.2020 in § 4 Nr. 29 UStG[6] aufgenommene Regelung können jetzt auch selbstständige Zusammenschlüsse von Unternehmern, die in Art. 132 MwStSystRL aufgeführte, dem Gemeinwohl dienende Leistungen, ausführen, steuerbefreite Leistungen an ihre Gemeinschafter auszuführen.

Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen

Wichtig

Das BMF-Schreiben ist nicht in den UStAE mit aufgenommen worden.

Die Finanzverwaltung hat in dem insgesamt 9 Seiten umfassenden Schreiben zu den Regelungen des § 4 Nr. 29 UStG Stellung genommen. Die Finanzverwaltung geht auf die 4 wesentlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung ein und stellt anschließend die Besonderheiten der Zusammenschlüsse von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) dar.

1. Begünstigte Zusammenschlüsse

Befreit nach § 4 Nr. 29 UStG sind bestimmte Leistungen von im Inland ansässigen selbstständigen Personenzusammenschlüssen. Ein solcher Personenzusammenschluss muss mindestens 2 Personen umfassen. Auf die Rechtsform des Personenzusammenschusses kommt es nicht an, er kann sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personenvereinigungen umfassen.

Wichtig

Ein Personenzusammenschluss setzt aber voraus, dass sich die betreffenden Personen tatsächlich zusammenschließen, eine bloße Vereinbarung zur Kostenteilung unter mehreren Personen[7] (sog. A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge