Leitsatz

1. Ein Familienheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG setzt u.a. voraus, dass der begünstigte Erwerber nach dem Erbfall die in einem bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 BewG befindliche Wohnung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Dazu muss der Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung der Wohnung fassen und durch den Einzug in die Wohnung tatsächlich umsetzen.

2. Erwirbt ein Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses das Alleineigentum an einem Familienheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG oder an einem zu Wohnzwecken vermieteten Grundstück i.S.d. § 13c Abs. 3 ErbStG, erhöht sich sein begünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall, erfolgt.

 

Normenkette

§ 13 Abs. 1 Nr. 4c, § 13c ErbStG ab 2009, § 181 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 BewG ab 2009

 

Sachverhalt

Der Kläger ist neben seiner Schwester (S) zur Hälfte Miterbe seines am 24.12.2010 verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlass gehörte ein Grundstück mit aufstehendem Zweifamilienhaus, dessen eine Wohnung von V und S gemeinsam und nach dem Tod des V von S alleine genutzt wurde. Ende 2011 zog der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in diese Wohnung ein. Die andere Wohnung in dem Gebäude war fremdvermietet. Mit Erbauseinandersetzungs- und Grundstücksübertragungsvertrag vom 23.3.2012 hoben der Kläger und S die Erbengemeinschaft an dem von V erworbenen Grundbesitz in der Weise auf, dass der Kläger das Grundstück R und S die restlichen Grundstücke jeweils als Alleineigentümer erhielten.

Das FA berücksichtigte bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen den Kläger die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG und § 13c ErbStG entsprechend der Beteiligung des Klägers als Miterbe nach dem hälftigen Wert des Grundstücks R. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger die Gewährung der Steuerbefreiungen nach dem gesamten Grundstückswert begehrte, hatte Erfolg. Nach Auffassung des FG war die Begünstigung des bei der Nachlassteilung erworbenen Vermögens nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 und § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG nicht von einer zeitnahen Auseinandersetzung über den Nachlass innerhalb eines halben Jahres nach dem Erbfall abhängig (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.9.2013, 3 K 525/12, Haufe-Index 6003916, EFG 2013, 2032).

 

Entscheidung

Dem ist auch der BFH gefolgt. Die Revision des FA wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Der Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch Kinder ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG begünstigt. Werden mehrere Kinder Miterben des Familienheims, können sie das Heim im Rahmen der Nachlassteilung auf eines von ihnen übertragen. Nutzt dieses Kind das Heim zu eigenen Wohnzwecken, erhöht sich unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG der Wert des begünstigten Vermögens (sog. Begünstigungstransfer).

2. Diese Erhöhung des Werts des begünstigten Vermögens ist davon abhängig, dass

  • im Rahmen der Teilung des Nachlasses ein Erbe vom Erblasser erworbenes Vermögen auf einen Dritten (auch Miterben) überträgt,
  • der Dritte dem Erben vom Erblasser erworbenes nicht begünstigtes Vermögen überträgt;
  • der Erwerb eine Wohnung betrifft, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist (Familienheim).

3. Die unverzügliche Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung als Familienheim erfordert, dass ein Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht der Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Bei den zeitlichen Anforderungen ist zu differenzieren:

  • Dem Merkmal "unverzüglich" ist stets genügt, wenn die Selbstnutzung in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt.
  • Wird die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, muss der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe (z.B. bei einer Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben) nicht zu vertreten hat.

4. Genügt die Nutzung des erwerbenden Dritten (Miterben) diesen Anforderungen, ist der Begünstigungstransfer nicht zusätzlich von der zeitnahen Erbauseinandersetzung abhängig. In diesem Punkt hat der BFH die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung ausdrücklich verworfen.

5. Wiederum hat der BFH auf die erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG hingewiesen. Allerdings hat das BVerfG in seinem Erbschaftsteuerbeschluss vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50) die Weitergeltung des ErbStG bis zu einer Neuregelung, die bis zum 30.6.2016 zu treffen ist, angeordnet. Bis dahin ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG vertagt.

6. Beim Erwerb einer fremdvermieteten Wohnung (z.B. in einem ...

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