I. Grundaussagen der Vorschrift

1. Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

[Autor/Stand] §§ 151156 BewG wurden mit dem Jahressteuergesetz 2007[2] als fünfter Abschnitt der besonderen Bewertungsvorschriften, geltend seit 1.1.2007 (§ 158 Abs. 1 BewG[3]), in das BewG eingefügt. Damit hat der Gesetzgeber das für Grundbesitzwerte schon seit 1996 praktizierte Verfahren der Bedarfswertfeststellung für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke auch zur Bewertung von

  • Betriebsvermögen,
  • Anteilen an mitunternehmerischen bzw. freiberuflichen Personengesellschaften,
  • nicht börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie
  • mehreren Personen zustehenden anderen Wirtschaftsgütern

vorgeschrieben (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–4 BewG).

Der Gesetzesbegründung zufolge soll dieses neue Regelwerk die Rechtssicherheit der Erbschaftsteuerfestsetzung verbessern und diverse Missstände des bislang insoweit nur innerdienstlich vorgeschriebenen Amtshilfeverfahrens[4] beseitigen, die vor allem eine rasche Steuererhebung erschwerten (s. § 151 BewG Anm. 3–5).

[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.09.2016
[2] Art. 18 Nr. 7 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878.
[3] I.d.F. des JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878.
[4] H 39, 96 ErbStH 2003.

2. Regelungsgegenstand und -zweck

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist keine leichte Aufgabe und oft mit einer sehr zeitaufwändigen Klärung tatsächlicher und rechtlicher Zweifelsfragen verbunden. Dies gilt gerade in den praktisch bedeutsamen Fällen des Erwerbs betrieblichen Vermögens als Einzelunternehmen oder in Gestalt von Beteiligungen an Personen- und/oder Kapitalgesellschaften sowie von Anteilen an Gesamthandsgemeinschaften mit anderem Vermögen, die nun der gesonderten Wertfeststellung unterliegen (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2–4 BewG). Die dadurch bewirkte Arbeitsentlastung geht einher mit einer drastischen Kompetenzbeschneidung der Erbschaft-/Schenkungsteuerstellen[2], die sich in allen einschlägigen Erwerbsfällen des § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG faktisch auf die reine Steuerberechnung und -festsetzung zu konzentrieren haben (s. hierzu kritisch § 35 ErbStG Anm. 56 ff.). Verbindlich entscheiden sie über die Bereicherung der Erwerber nur noch, wenn der Erwerb ausschließlich aus nicht gesondert zu bewertendem Vermögen besteht. Denn auch bei der Übertragung gemischten Vermögens wirkt die Entscheidung der Feststellungsfinanzämter insoweit indirekt präjudizierend.[3]

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Verfahrensrechtlich erlaubt § 155 Abs. 2 AO eine Steuerfestsetzung, auch ohne dass ein Grundlagenbescheid zuvor erlassen wurde. Nach dem Willen des Gesetzgebers (s. § 151 BewG Anm. 5) sollen die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen die Durchführung der gesonderten Wertfeststellungen nicht abwarten, sondern die insoweit offenen Besteuerungsgrundlagen per Schätzung ansetzen, um so die Steuern unverzüglich zu erheben;[5] entsprechend gelte dies für Feststellungsfinanzämter, die ihrerseits Wertfeststellungen anderer Feststellungsbehörden benötigen. Dass diese Werte nur per Amtshilfe verwaltungsintern zu erheben sind,[6] ist ebenfalls Folge der Kompetenzänderung. Dem Grunde nach gedeckt durch § 162 Abs. 5 AO handelt es sich lediglich um vorläufige Wertansätze.[7] Es hängt dann jeweils von der zeitgerechten Anwendung der Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ab,[8] ob und dass die gewollte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen "von unten nach oben" tatsächlich zustande kommt. Beachten Sie: Entsprechende vorgreifliche Steuerbescheide sollten klar erkennen lassen, dass sie im Hinblick auf noch ausstehende Grundlagenbescheide nur einstweilige Regelungen treffen.[9] Sie sind und bleiben dann auch rechtmäßig, wenn ein Bedarfswertbescheid nicht ergeht oder aufgehoben wird.[10]

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Die Zusammenarbeit der Besteuerungsfinanzämter und der Feststellungsfinanzämtern muss unbedingt klappen,[12] damit nicht einzelne Besteuerungsgrundlagen in den Untiefen des Verfahrensrechts – z.B. infolge partieller Verjährung (s. Anm. 111) – verloren gehen; § 153 BewG markiert hierbei mit der Festlegung besonderer Erklärungspflichten gegenüber den Feststellungsfinanzämtern (Abs. 1–4) eine deutliche Grenzlinie. Sie erlaubt es den Besteuerungsbehörden bspw. nicht mehr, wie die Finanzverwaltung selbst konstatiert,[13] insoweit relevante Angaben von den Steuerpflichtigen einzufordern (s. auch § 153 Abs. 4 Satz 2 BewG).[14]

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Hinsichtlich der – auch für Grunderwerbsteuerzwecke möglichen (§ 151 Abs. 5 BewG)[16] – Grundbesitzbewertung hat § 153 BewG die nur noch für vor dem 1.1.2007 verwirklichte Altfälle gültigen Verfahrensregeln des § 138 Abs. 5, 6 BewG a.F. abgelöst (§ 158 Abs. 1 BewG[17]). Anstatt der AO-Vorschriften über die Einheitswertfeststellung (§ 138 Abs. 5 Satz 3 BewG a.F.) gelten nun die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG).[18]

 

Rz. 6

[Autor/Stand] In allen Fällen der Bedarfsbewertung gilt § 179 AO (s. § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG). Darüber hinaus verweist § 153 Abs. 5 BewG lediglich auf die entsprechende An...

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