Rz. 61

[Autor/Stand] Die Gemeinden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden, § 227 AO.

 

Rz. 62

[Autor/Stand] § 33 GrStG enthält eine eigene, von speziellen Voraussetzungen abhängige Regelung des Erlasses. Gleiches gilt für § 32 GrStG. Neben diesen beiden Sonder-Erlassnormen sind die allgemeinen Regeln des § 227 AO auf die Erhebung der Grundsteuer als Realsteuer (§ 3 Abs. 2 AO) anwendbar, da gemäß § 1 Abs. 2 AO die Vorschriften des 5. Teils der Abgabenordnung, in der sich auch § 227 AO befindet, für Realsteuern, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, entsprechend gelten.[3] Nach anderer Ansicht ist für einen Steuererlass nach §§ 163, 227 AO wegen sachlicher Unbilligkeit (s. Rz. 66) kein Raum, weil die Fälle der sachlichen Unbilligkeit bereits in den §§ 32 ff. GrStG abschließend geregelt sind.[4]

 

Rz. 63

[Autor/Stand] Die Erhebung der Steuer kann – ebenso wie ihre Festsetzung – unbillig sein, wobei die Unbilligkeit sich aus der Person des Steuerpflichtigen ergeben kann, insb. seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder z.B. (ausnahmsweise) daraus, dass er Rechtsschutz gegen die Steuerfestsetzung nicht erlangen konnte, oder daraus ergeben kann, dass die steuerliche Regelung, die an sich in verfassungsgemäßer Weise die Steuererhebung gebietet, aufgrund besonderer Umstände des betroffenen Einzelfalls einer (durch einschränkende Auslegung derselben nicht erreichbaren) Einschränkung bedarf. Man unterscheidet dementsprechend zwischen

  a) sachlichen Billigkeitsgründen (s. Rz. 66), die sich aufgrund des Gesetzes selbst ergeben, das im Einzelfall einer Korrektur bedarf und
  b) persönlichen Billigkeitsgründen (s. Rz. 68).[6]
 

Rz. 64

[Autor/Stand] Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 114 VwGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Danach ist eine gerichtliche Überprüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.[8]

 

Rz. 65

[Autor/Stand] Für die Prüfung dieser Ermessensentscheidung kommt es indes nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, sondern sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Denn aus dem Wesen einer Ermessensvorschrift, einen Spielraum dafür zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu lassen, folgt, dass die durch § 114 VwGO dem Umfang nach umschriebene gerichtliche Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Verwaltungsbehörden selbst bezogen sein kann.[10]

 

Rz. 66

[Autor/Stand] Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – i.S.d. beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte[12] oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft.[13] Die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis wird auch für sachlich unbillig gehalten, wenn dies den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Erfordernis der Zumutbarkeit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde.[14]

 

Rz. 67

[Autor/Stand] In der Rechtsprechung des BVerwG ist geklärt, dass die fehlende Abwälzbarkeit nachträglich erhobener Grundsteuer auf die Mieter für sich gesehen noch nicht zur Unbilligkeit der Steuererhebung führt.[16] Auch die auf den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 1.1.1964 bzw. im Beitrittsgebiet des 1.1.1935 beruhenden Wertverzerrungen begründen keinen Anspruch auf Teilerlass von Grundsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen.[17]

 

Rz. 68

[Autor/Stand] Entscheidende Voraussetzung für den Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen ist die Erlassbedürftigkeit. Eine solche ist gegeben, wenn die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis die Existenz des Steuerschuldners vernichten oder ernsthaft gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann. Dies setzt voraus, dass sich der Billigkeitserlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen konkret auswirken kann. Es besteht hingegen kein Anspruch auf Grundsteuererlass, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners bereits ohne Versagen der Billigkeitsmaßnahme eingetreten ist und nicht nachgewiesen werden kann, dass die wirtschaftliche Not...

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