Rz. 437

[Autor/Stand] Selbstverständlich können unentgeltliche Zuwendungen auch betrieblichen und/oder geschäftlichen Zwecken dienen. Im Umsatz- und Ertragsteuerrecht ist dies völlig unstreitig. Dass sie grundsätzlich auch dem ErbStG unterliegen, macht die Schenkungsteuer konsequent zu einer ernst zu nehmenden, nicht nur auf den Anwendungsbereich der §§ 13a ff. ErbStG beschränkbaren, Unternehmenssteuer. Dies sah die Praxis bis in die jüngere Vergangenheit anders. Um bei unentgeltlichen Leistungen im geschäftlichen Bereich das inzwischen nicht mehr nötige Merkmal des Bereicherungswillens (s. Anm. 102) zu verneinen, hatte der RFH die ursprünglich nur Umsatzsteuerzwecken dienende Behauptung, es sei "im Wirtschaftsleben nicht üblich, sich Schenkungen zu machen"[2] alsbald für das Schenkungsteuerrecht adaptiert und schuf aus dem blauen Himmel der Rechtsfindung mit dem Vorurteil:"Kaufleute pflegen sich ... nichts zu schenken"[3] über Jahrzehnte hinweg ein schenkungsteuerliches "Niemandsland."[4] Der deshalb vermutete Mangel an Gelegenheit mag zwar die mentalen Hindernisse zu erklären, die der Finanzverwaltung wohl immer noch die zutreffende Erfassung einschlägiger Vorteilszuwendungen erschweren.[5] Doch dass der Gesetzgeber dies nicht nur ausdrücklich nicht akzeptiert,[6] sondern gerade Erwerbsvorgänge zwischen einander fremden Personen in besonderem Maße dem Zugriff des ErbStG unterwirft,[7] konnte und durfte nicht länger unbemerkt bleiben (s. auch Anm. 636).

 

Rz. 437.1

[Autor/Stand] Nachdem sich die Deutsche Bank AG im Zusammenhang mit dem Schneider-Konkurs in 1994 als größter Einzelgläubiger bereiterklärt hatte, die Forderungen der ungesicherten Bauhandwerker ("Peanuts") zu befriedigen (hierzu speziell Anm. 437.7)[9] und die damit provozierten schenkungsteuerlichen Fragen daraufhin in der Fachliteratur erörtert wurden,[10] markierte der II. BFH-Senat seinen Standpunkt:[11]

  • Objektiv (teil-)unentgeltliche Zuwendungen sind auch im Bereich geschäftlicher Zuwendungen grundsätzlich schenkungsteuerbar;
  • denn auch hier liegt die für den Willen zur Unentgeltlichkeit ausreichende Kenntnis des Zuwenders um die objektive Bereicherung des Begünstigten regelmäßig vor.
  • Allerdings sei eine Verdrängung dieser Kenntnis möglich, wenn und soweit der Steuerpflichtige substantiiert vortrage, "dass die Bereicherung des Zuwendungsempfängers der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden diente, d.h. objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile des Zuwendenden gerichtet ist."
 

Rz. 437.2

[Autor/Stand] Dass er das im Besteuerungsverfahren herrschende Amtsermittlungsprinzip (§ 88 Abs. 1 und 2, § 76 Abs. 1 FGO) durch eine Beibringungsregel beiseiteschiebt, die im Zivilprozess zu verorten ist, scheint den BFH nicht zu stören. Auch dass seiner Verdrängungstheorie keinerlei Erfahrungstatsachen zugrunde liegen,[13] sondern – wie nicht zuletzt §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 37b EStG belegen – "Gewinnstreben und Freigebigkeit ... durchaus komplementäre Ziele" sind[14] und eigenbetriebliche Interessen des Zuwenders durch ein besonderes Interesse des Vorteilsempfängers an der Bereicherung völlig beseitigt werden können (Hinweis auf Anm. 431),[15] veranlasst ihn nicht von ihr Abstand zu nehmen.[16] Die Finanzverwaltung jedenfalls hat sich diese amtlich veröffentlichte höchstrichterliche Auffassung unkritisch zu eigen gemacht; den Schenkungsteuerstellen genügt in der Praxis schon der, häufig selbst unterstellte, bloße Verdacht eines angeblich geschäftlichen Hintergrunds, um einschlägige Fälle – für die es zahllose Beispiele gibt[17] – erst gar nicht aufzugreifen.[18] Es scheint, als habe der II. BFH-Senat lediglich alten Wein in neue Fässer umgefüllt; der angeblich nicht schenkende Kaufmann wurde sogleich wieder Leitfigur mancher FG-Entscheidungen[19] und er geistert vereinzelt weiterhin durch die Kommentarliteratur.[20]

 

Rz. 437.3

[Autor/Stand] Die Verdrängungsthese des BFH wird allerdings auch als versteckte Rückkehr der Bereicherungsabsicht oder des Bereicherungswillens gewertet.[22] Ob dies der Fall ist, sei hier dahingestellt. Doch wenn man insoweit begrifflich die Bereicherung des Erwerbers als willentliches End- oder Zwischenziel der Zuwendung des Schenkers verlangt,[23] ist gerade bei unentgeltlichen Leistungen, die ein "Kaufmann" ganz bewusst erbringt, um seine eigenen Geschäfte zu fördern, ein solches willentliches Element, der "Wille zur schenkweisen Zuwendung",[24] stets vorhanden. Insbesondere im Wirtschaftsleben sind (teil-)unentgeltliche Zuwendungen als nicht unübliche Maßnahmen allgegenwärtig.

Beispiele:

  • zu Werbezwecken;[25]
  • zur Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen;[26]
  • zwecks Kundenfang[27] und Kundenbindung;[28]
  • zur Belohnung/Motivierung eigener und/oder fremder Arbeitnehmer (s. auch Anm. 434);[29]
  • zur Imagepflege oder Erhaltung der Reputation.[30]
  • Auch die – ggf. einkommensteuerpflichtigen[31] – Gewinne einer Lotterie, eines Preisausschreibens oder eines Quizspiels werden objektiv unentgeltlich zugewendet.[32] Selbst...

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