Rz. 240

[Autor/Stand] Mit dem ErbStRG[2] hat sich der Gesetzgeber von der bisherigen Konzeption eines grundsätzlich vorgesehenen Bewertungsverfahrens gelöst. Somit ist für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften nicht mehr die bisher gesetzlich angeordnete Übernahme der Steuerbilanzwerte als Bemessungsgrundlage und bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht mehr das mit den ErbStR 2003 angeordnete und von der Rechtsprechung anerkannte Stuttgarter Verfahren maßgebend. Stattdessen setzt der Gesetzgeber auf die Ermittlung des gemeinen Werts nach allgemein anerkannten Bewertungsverfahren, die ihre Grundlagen in betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden finden.

 

Rz. 241

[Autor/Stand] Dementsprechend weist § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG an, dass der gemeine Wert alternativ nach folgenden Methoden zu ermitteln ist:

 

Rz. 242

[Autor/Stand] Um Überbewertungen zu vermeiden, betont der Gesetzgeber, dass der gemeine Wert aus der Sicht des Käufers zu ermitteln ist, da dieser bei den Parametern zur Ermittlung des Kaufpreises von vorsichtigeren Annahmen ausgehen wird, als der Verkäufer.

 

Rz. 243

[Autor/Stand] Die Tatsache, dass der Gesetzgeber den tatsächlichen Kaufpreis oder den Kaufpreis aus der Sicht des Käufers als wichtigen Hinweis auf die Höhe des gemeinen Werts betrachtet, wird besonders in der Gesetzesbegründung deutlich. Dort heißt es:[6]

"Die bisherige Aufzählung der Kapitalgesellschaften entfällt, weil der Begriff der Kapitalgesellschaft nicht weiter erläuterungsbedürftig erscheint. Der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften ist in erster Linie der Preis, der bei einer Veräußerung unter fremden Dritten vereinbart wurde. Dabei kann unwiderlegbar vermutet werden, dass zeitnahe Verkäufe in der Vergangenheit den zutreffenden Marktwert zum Bewertungsstichtag richtig widerspiegeln. Haben keine zeitnahen Verkäufe stattgefunden, ist der Wert der Anteile nach den in den für die Gesellschaft maßgeblichen Wirtschaftskreisen auch für außersteuerliche Zwecke üblicherweise angewandten Bewertungsmethoden zu ermitteln. Dies ist dann auch der zutreffende gemeine Wert für Zwecke der Erbschaftsteuer. Üblicherweise wird zumindest bei Beteiligungen an großen Gesellschaften die Ertragswertmethode angewandt, weil sie von der Frage ausgeht, welches Kapital ein gedachter Investor einsetzen würde, um aus seinem Investment eine angemessene Rendite zu erzielen. Die Ertragswertmethode ist jedoch nicht für die Bewertung jedes Unternehmens geeignet bzw. am jeweiligen Markt nicht stets üblich. Wenn daher in solchen Fällen andere gebräuchliche Bewertungsmethoden zur Preisbildung angewandt werden, hat das Steuerrecht, das an den gemeinen Wert (Verkehrswert) anknüpft, dies zu respektieren. Alternative Methoden sind u.a. vergleichsorientierte Methoden und Multiplikatorenmethoden. Die Feststellungslast, ob eine derartige Methode anstelle der Ertragswertmethode anwendbar ist, trägt der sich jeweils darauf Berufende. Um Schätzungsunschärfen, die zulasten des Steuerpflichtigen gehen würden, zu vermeiden, soll auf die Sicht eines gedachten Käufers abgestellt werden, da dieser im Unterschied zum Verkäufer bemüht sein wird, den Preis möglichst niedrig zu halten. Untergrenze ist stets der Substanzwert als Mindestwert, den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte. Steht fest, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll, ist der Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts die Untergrenze. Die Definition des Substanzwerts entspricht inhaltlich den Grundsätzen der bisherigen §§ 98a und 103 BewG."

 

Rz. 244

[Autor/Stand] Mit dieser grundsätzlichen Offenheit für verschiedene Bewertungsmethoden zeigt der Gesetzgeber, dass die Ermittlung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Zielgröße des gemeinen Wertes Priorität hat. Dennoch ist die Finanzverwaltung zunächst von einem Vorrang des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausgegangen (vgl. gleich lautende Erlasse vom 25.6.2009[8]). Sie war der Auffassung, dass ein anderes Bewertungsverfahren als das vereinfachte Ertragswertverfahren nur dann angewendet werden dürfe, wenn das im vereinfachten Ertragswertverfahren gefundene Ergebnis offensichtlich unzutreffend ist (§ 199 BewG). Von dieser Auffassung ist die Finanzverwaltung jedoch bereits mit BV-Erlass vom 17.5.2011[9] abgerückt. Für Bewertungsstichtage ab dem 1.7.2011 vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Steuerpflichtige ein Wahlrecht hat, das vereinfachte Ertragswertverfahren anzuwenden. Allerdings trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast dafür, dass das Ergebnis nicht offensichtlich unzutreffend ist. Somit verknüpft die Finanzverwaltung das Wahlrecht mit der Feststellungslast.

 

Rz. 245

[Autor/Stand] In der Praxis zeigt sich, dass die für Zwecke der Erb...

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