Rz. 12

[Autor/Stand] Der Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) vom 21.12.2020[2] steuerverschärfend für Erwerbe nach dem 28.12.2020 (s. § 37 Abs. 18 ErbStG)[3] durch den neuen § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG festgelegt, dass die vom Erblasser herrührenden Steuererstattungsansprüche bei der Ermittlung der Bereicherung auch zu berücksichtigen sind, wenn sie erst rechtlich nach dem Tod des Erblassers entstanden sind.

Bisher waren Steuererstattungsansprüche (zu Steuerschulden s. Rz. 73) des Erblassers ungeachtet ihrer Festsetzung oder Durchsetzbarkeit[4] als Erwerb nur anzusetzen, wenn sie im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer materiell-rechtlich entstanden waren (§ 37 Abs. 2 AO).

Bei der Einkommensteuer kam es unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums materiell-rechtlich entsteht (§ 2 Abs. 7, § 36 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG), nun zu unterschiedlichen Rechtsfolgen:

  a) Entstanden die Einkommensteuererstattungsansprüche aus Veranlagungszeiträumen, die vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers enden, sind sie mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs entstanden. Die Überzahlungen, die zu den Steuererstattungsansprüchen geführt haben, muss noch der Erblasser geleistet haben. Sie gehören (unstreitig) zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG.
  b) Einkommensteuererstattungsansprüche aus dem Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers fällt, entstehen erst danach mit Ablauf des Kalenderjahrs.[5] Sie gehörten daher nicht zum steuerpflichtigen Erwerb.[6]

Dies obwohl der BFH mit Urteil vom 4.7.2012[7], für den – spiegelbildlichen[8] – Fall der Einkommensteuernachzahlung bei "unterjährigem Versterben"[9] des Erblassers entschieden hatte, dass vom Erblasser herrührende Schulden nicht die voll wirksame Entstehung der Verbindlichkeit voraussetzen und deshalb gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden können (s. Rz. 73 ff.). Der BFH gewann dieses Ergebnis durch einen unmittelbaren Rückgriff auf die zivilrechtliche Wertung in § 1967 Abs. 2 BGB.[10]

Laut ausdrücklichem Hinweis des BFH war dies damals nicht auf Steuererstattungsansprüche übertragbar, weil der Gesetzgeber nämlich in § 10 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 ErbStG a.F. ausdrücklich auf die materiell-rechtliche Entstehung abgestellt habe.

Diese ungleiche Behandlung zwischen Steuererstattungsansprüchen und Steuerschulden, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, hat nunmehr der Gesetzgeber durch §10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG i.d.F. des JStG 2020 (ab 29.12.2020) beseitigt. Wieder einmal klagen von der Verschärfung des Gesetzes Betroffene, dass eine für den Fiskus nachteilige Rechtsprechung des BFH "auf dem Gesetzeswege" ausgehebelt werde. In der Sache ist die materielle Gleichbehandlung von Erstattungsansprüchen und Nachzahlungen jedoch zu begrüßen, weil vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr auch abzugsfähig sind (s. Rz. 73). Ungeachtet dessen fehlt es jedoch nach wie vor an einer verfahrensmäßigen Verknüpfung zwischen ESt.-Veranlagung und ErbSt.-Veranlagung.

 

Gestaltungstipp:

Im Rahmen der ErbSt.-Veranlagung ist es daher geboten, den ErbSt.-Bescheid z.B. nach § 165 AO offenzuhalten, wenn mit einer Änderung des ESt.-Bescheids zu rechnen ist.

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Private Ansprüche aus § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, die bei Zusammenveranlagung grundsätzlich jedem Ehegatten hälftig zustehen[12], werden erst nach Bekanntgabe entsprechender Steuerbescheide fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass es sich um sog. betagte Kapitalforderungen handelt.[13]

Erwirbt der Erbe mit dem Nachlass einen aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten Anspruch, verschiebt § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Halbs. 2 ErbStG nicht den Erwerbszeitpunkt, sondern lediglich den Zeitpunkt der Steuerentstehung.[14] Mit Urteil v. 19.4.2007[15] hat das FG Münster entschieden, dass nach Wegfall des § 25 Abs. 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 v. 11.10.1995[16] die Einkommensteuer bzw. der Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund überhöhter Vorauszahlungen auch beim Tod des Steuerpflichtigen erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums gem. § 36 Abs. 1 EStG entsteht, so dass bei einem Tod während des Veranlagungszeitraums der Erstattungsanspruch nicht zum steuerpflichtigen Erwerb zählt.

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Bei Einkommensteuererstattungszinsen gilt dies entsprechend.[18] Erstattungszinsen nach § 233a AO auf Steuererstattungen an den Erblasser sind nur dann Teil des erbschaftsteuerlichen Erwerbes i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, wenn sie bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls im abgabenrechtlichen Sinne „entstanden” sind. Erstattungszinsen nach § 233a AO entstehen erst mit der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung.[19] Werden daher den Erblasser betreffende Einkommensteuerbescheide erst nach dessen Tod bekannt gegeben und wirksam, gehören die in den Bescheiden gleichzeitig festgesetzten Erstattungszinsen nicht zum erbschaftsteuerlichen Erwerb der Erben.[20...

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