Rz. 60

[Autor/Stand] Die Meinungen darüber, was unter der Verkehrsanschauung zu verstehen ist, gehen auseinander. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich aber zwanglos auf, wenn man berücksichtigt, in welchem Zusammenhang die Verkehrsanschauung von Bedeutung ist. Für die Einheitsbewertung des Grundvermögens leitet der BFH die Verkehrsanschauung von der Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen ab[2] oder von der Anschauung, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen, wenn sie mit ihr befasst werden.[3] Die so verstandene Verkehrsanschauung bedarf keiner besonderen Feststellung durch den Tatrichter, weil sie gerichtsbekannt ist[4], denn sie betrifft nicht Fragen, die von den beteiligten Wirtschaftskreisen geprägt werden.[5]

 

Rz. 61

[Autor/Stand] Der BFH ist allerdings auch der Ansicht, dass die Verkehrsanschauung von den beteiligten Wirtschaftskreisen bestimmt wird, wenn sie sich auf Begriffe des Wirtschaftslebens dieser Kreise bezieht.[7] Letztere Verkehrsanschauung bedarf der Feststellung durch den Tatrichter.[8]

 

Rz. 62

[Autor/Stand] Hieraus lässt sich für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten zum Zwecke der Bewertung der Grundsatz aufstellen, dass die Verkehrsanschauung eine von der Allgemeinheit der Bürger abgeleitete Auffassung ist, die nicht einer besonderen Feststellung bedarf. Dies ergibt sich auch aus Abgrenzungsmerkmalen des § 2 Abs. 1 BewG, die nicht auf Kenntnisse besonderer Wirtschaftskreise abstellen. Nur in Ausnahmefällen wird die Meinung der beteiligten Wirtschaftskreise ermittelt und festgestellt werden müssen. Zum Teil stimmen allerdings die allgemeine Verkehrsanschauung und die Meinung der beteiligten Wirtschaftskreise überein. So stehen z.B. allgemeine Verkehrsanschauungen und DIN-Vorschriften darüber im Einklang, was unter einer Wohnung zu verstehen ist.[10] Die Verkehrsanschauung hat als objektives Abgrenzungsmerkmal den Vorrang vor subjektiven Abgrenzungsmerkmalen; das bedeutet, dass die Verkehrsanschauung für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit maßgebend ist, wenn subjektive Abgrenzungsmerkmale im Widerspruch zur Verkehrsanschauung stehen.[11]

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