a) Steuertatbestand

 

Rz. 155

[Autor/Stand] Der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs per se ist nicht steuerbar. Auch der Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch vor Geltendmachung ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG steuerbefreit.[2] Erst die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs löst die Erbschaftsteuer aus (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).[3] Damit korrespondierend gilt für den Verpflichteten: Nicht der entstandene Pflichtteil, sondern erst der geltend gemachte Pflichtteil ist eine abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG).[4]

 

Rz. 155a

[Autor/Stand] Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, so bleibt trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs erbschaftsteuerrechtlich sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regelung in § 10 Abs. 3 ErbStG bestehen. Erklärt der Berechtigte in einem solchen Fall gegenüber dem Finanzamt, er mache den Anspruch geltend, ist dies erbschaftsteuerrechtlich unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Verpflichtete damit rechnen musste, den Anspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen. Dies gilt nach Ansicht des BFH jedenfalls dann, wenn der Pflichtteilsanspruch im Zeitpunkt der Mitteilung an das Finanzamt noch nicht verjährt ist.[6] Diese Rechtsprechung eröffnet Gestaltungsspielraum, weil der Erbe die Erbschaftsteuerzahllast des (pflichtteilsverpflichteten) Erblassers postmortal korrigieren kann, indem er den Pflichtteilsanspruch "gegen sich" (als Gesamtrechtsnachfolger des Pflichtteilsverpflichteten) steuerwirksam geltend macht. Dieser Gestaltungsspielraum besteht nach der Rechtsprechung des BFH indes nur, wenn der Pflichtteilsanspruch im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht verjährt war. Anderenfalls würde allein aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG die Funktion der Verjährung, Rechtsfrieden herbeizuführen, insoweit aufgehoben. Der Erbe könnte zeitlich unbefristet jederzeit seinen zivilrechtlich erloschenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit mit Rückwirkung gegen sich selbst geltend machen. Das ist vom Regelungsgehalt des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht umfasst.[7]

b) Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs

 

Rz. 156

[Autor/Stand] Geltend gemacht[9] ist der Pflichtteil, sobald der Berechtigte zu erkennen gibt (ausdrücklich oder konkludent), dass er aus seinem Anspruch Rechte herleiten will[10], er also seinen Entschluss, den Pflichtteil zu verlangen, erkennbar macht[11]. Gemeint ist ein Erfüllungsverlangen bezogen auf den Pflichtteilsanspruch.[12] Es muss gegenüber dem Erben erfolgen. Eine Bezifferung ist nicht erforderlich.[13]

 

Rz. 156a

[Autor/Stand] Ob Verhandlungen über den Pflichtteilsanspruch bereits eine Geltendmachung bedeuten können, ist unklar. Verhandlungen über einen Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung stellen keine Geltendmachung dar[15], denn andernfalls würde § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG leerlaufen. Der Tatbestand macht nur dann Sinn, wenn es möglich ist, auf den entstandenen Anspruch gegen Abfindung zu verzichten, ohne ihn durch Verhandeln über die Höhe der Abfindung geltend gemacht zu haben. Sonst könnten die Verhandlungen nur in der Weise erfolgen, dass der Schuldner des Pflichtteilsanspruchs verschiedene Abfindungen nennt und der Gläubiger so lange schweigt, bis er den ihm genehmen Betrag hört. In dieser Hinsicht hat der BFH zuletzt klargestellt: "Wenn sich der Pflichtteilsberechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt als er beansprucht hat und ihm zusteht, so kann er nur aus diesem niedrigeren Wert besteuert werden."[16] Ebenfalls unschädlich (keine Geltendmachung) stellt ein bloßes Auskunftsverlangen über den Bestand des Nachlasses dar.[17]

 

Rz. 156b

[Autor/Stand] Wird der Pflichtteil nur teilweise geltend gemacht und auf den übersteigenden Betrag "verzichtet", wird regelmäßig nur der geltend gemachte Teil als Erwerb besteuert.[19] Anders ist dies dann, wenn der teilweise Verzicht erklärt wird, nachdem bereits der volle Pflichtteil verlangt worden war. Hier muss der Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteil – losgelöst vom Teilverzicht – als Erwerb versteuern.[20] Denn Erfüllungsabreden, die nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffen werden, können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch verändern. Auch ein nachträglicher teilweiser Verzicht des Berechtigten auf seinen Anspruch wirkt sich grundsätzlich nicht auf die Steuer aus.[21]

 

Rz. 156c

[Autor/Stand] Bei der Auslegung eines Erbvergleichs über den Zugewinnausgleichs- und den Pflichtteilsanspruch sind neben dem Wortlaut der Willenserklärungen alle Begleitumstände, insb. die Entstehungsgeschichte des Vertrages sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage zu berücksichtigen. Aus dem Umstand, dass nur der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch, nicht aber die Zugewinnausgleichsforderung zum erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb gehört, kann ...

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