a) Steuertatbestand

 

Rz. 76

[Autor/Stand] Mit dem Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG) wird der Anfall der Erbschaft (§ 1942 BGB) angesprochen. Dass der Erbe die Erbschaft ausschlagen kann, verhindert daher nicht die Erfüllung des Steuertatbestandes. Vielmehr ist die Ausschlagung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, das den entstandenen Steueranspruch wieder beseitigt. Auch § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG stellt auf den Tod des Erblassers und nicht auf die Annahme der Erbschaft ab.

Der Tod ist mit dem Hirntod eingetreten, d.h. dem vollständigen und irreversiblen Ausfall aller Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm.[2] Sterben mehrere Personen nacheinander, ohne dass die Reihenfolge der Todesfälle geklärt werden kann, wird nach § 11 VerschG vermutet, dass sie gleichzeitig gestorben sind, so dass keiner den anderen beerbt.

In der Mehrzahl der Fälle ergibt sich der Todeszeitpunkt aus der Sterbeurkunde (§§ 61a Nr. 3, 64 PStG), in die Ort, Tag und Stunde des Todes aufgenommen werden. Sie beweist nach den §§ 66, 60 Abs. 1 PStG den Tod und die darüber gemachten näheren Angaben. Aber nach den §§ 66, 60 Abs. 2 PStG ist der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen zulässig.

 

Rz. 77

[Autor/Stand] Für einen Verschollenen spricht eine Lebensvermutung (§ 10 VerschG). Erst wenn er für tot erklärt wurde (§ 9 VerschG), gilt er als verstorben, wobei ein Gegenbeweis zulässig ist. Erbrechtlich ist der festgestellte Todeszeitpunkt maßgebend, steuerlich die Rechtskraft des Beschlusses (§ 49 AO, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Das wird praktisch, wenn der Todeszeitpunkt weit vor der Rechtskraft des Beschlusses liegt und der Erbe in der Zwischenzeit seinerseits gestorben ist. Steuerrechtlich wird der Verschollene dann nicht von seinem verstorbenen Erben beerbt, sondern von dessen Erben. Maßgebend ist daher das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihm und dem Erbeserben. Hier sind Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO möglich.[4]

b) Bindung an den Erbschein

 

Rz. 78

[Autor/Stand] Der Erbschein ist ein Zeugnis für das Erbrecht. Er begründet nach § 2365 BGB die Vermutung, dass demjenigen, der in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das im Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Ein Gegenbeweis kann mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH[6] muss das Finanzamt die gesetzliche Vermutung beachten, dass ein erteilter Erbschein richtig ist; nur dann, wenn gewichtige Gründe vorliegen, darf es das Erbrecht und bei Miterben die Erbteile selbst ermitteln.

c) Erfüllung unwirksamer Verfügungen von Todes wegen

 

Rz. 79

[Autor/Stand] Unwirksame Verfügungen, beispielsweise eine mündliche Erbeinsetzung, die nicht die Voraussetzungen eines Nottestaments (§§ 2249, 2251 BGB) erfüllt, sind nach § 41 AO für die Erbschaftsteuer ausnahmsweise als gültig anzusehen. Die Voraussetzungen sind[8]:

  • Der Erblasser muss eine Anordnung für den Erbfall getroffen haben. Sie muss – bis auf die Form – allen Anforderungen an eine letztwillige Verfügung genügen. Deshalb muss sie bestimmt oder mit Hilfe gesetzlicher Vermutungen oder durch Auslegung bestimmbar sein, was die Person des Erwerbers und den Gegenstand der Zuwendung anbelangt. Ein bloßer Wunsch des Erblassers ist daher nicht ausreichend.
  • Die formunwirksame Anordnung muss von den Beteiligten beachtet und ausgeführt werden, ganz oder teilweise[9].
 

Rz. 80

[Autor/Stand] So klar die Rechtslage ist, so schwierig erweist sich die Beweislage. Bloße Behauptungen finden im Allgemeinen beim Finanzamt keinen Glauben. Gefordert ist eine substantiierte Glaubhaftmachung oder gar ein Beweis, ein direkter Beweis, z.B. durch Zeugen, oder ein indirekter Beweis durch Indizien, wie z.B. Schriftstücke. Bleiben Zweifel, ist nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu entschieden.[11] Der Erbe, der ein formunwirksames Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit abziehen will, trägt dafür die Beweislast, da er eine steuermindernde Tatsache behauptet. Will das Finanzamt einen Erwerber als Erben oder als Vermächtnisnehmer – und nicht als Beschenkten – in Anspruch nehmen, trägt es die Beweislast für das Vorliegen der Erbschaft oder des Vermächtnisses, da es um eine steuerbegründende Tatsache geht.

 

Rz. 81

[Autor/Stand] Nach Ansicht des BFH ist es nicht erforderlich, dass die unwirksame Verfügung von Todes wegen in vollem Umfang befolgt wird. Auch die lediglich eingeschränkte Befolgung weist die für die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung erforderliche Verbindung zur Willenserklärung des Erblassers auf. Erbschaftsteuerrechtlich beachtlich ist in einem solchen Fall die unwirksame Verfügung von Todes wegen, soweit sie tatsächlich ausgeführt wurde. Überträgt hingegen ein Miterbe seinen Anteil am Nachlass auf einen Dritten, ohne dass dies auf einer wenn auch unwirksamen Willensäußerung des Erblassers beruht, wirkt sich dies auf die festzusetzende Erbschaftsteuer nicht aus.[1...

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