Rz. 32

[Autor/Stand] Familienstiftung ist eine Stiftung, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 ErbStG).[2] Bei der Frage nach dem maßgeblichen Interesse der begünstigten Familie stehen die vermögensmäßigen Anrechte (Vermögensinteressen) im Vordergrund. Deren Umfang ist weit zu fassen.[3] Dazu gehören nicht nur Bezugs- und Anfallsrechte, sondern alle Vermögensvorteile, die die begünstigten Familien aus dem Stiftungsvermögen ziehen (zum Beispiel auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung des Stiftungsvermögens, etwa stiftungseigener Immobilien zu Wohnzwecken).[4]

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Die Frage, wann das Interesse der Familie wesentlich ist, wurde zunächst kontrovers beantwortet. Die als notwendig erachteten Anteile der Destinatäre an laufenden Bezügen oder am zurückfallenden Vermögen wurden mit 25 %, 50 %, 75 % oder auch 90 % beziffert.[6] Ohne Auseinandersetzung mit Schrifttum und Verwaltungsmeinung hat die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung eine rein qualitative Betrachtung vorgenommen. Danach gilt: "Den (...) weit zu fassenden Vermögensinteressen bestimmter Familien dient eine Stiftung dann wesentlich i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn nach der Satzung und gegebenenfalls dem Stiftungsgeschäft ihr Wesen darin besteht, es den Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen".[7]

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Gewährt die Satzung nicht nur Familienmitgliedern, sondern auch Dritten Vermögensvorteile, ist eine wertende Gesamtschau aller Vermögensinteressen vorzunehmen. Abzustellen ist dabei jeweils auf den Dreißigjahreszeitraum.[9]

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Entscheidend ist, ob die Destinatäre aus dem Kreis der Familie über die Verwendung der Mittel befinden können und ihnen infolgedessen der maßgebliche Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung zusteht.

 

Rz. 36

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung folgt der Linie des BFH und nimmt eine Familienstiftung immer dann an, wenn nach der Satzung die Destinatäre zu mehr als 50 %, in Sonderfällen zu mehr als 25 %, bezugs- oder anfallsberechtigt sind.[12] Während es in der Vergangenheit zwischen Finanzverwaltung und BFH-Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wurde, ob für eine Qualifikation als Familienstiftung bereits die Bezugsberechtigung der Familienmitglieder ausreiche (so der BFH),[13] oder es allein auf die Ausschüttungen ankommt (so die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung),[14] dürfte künftig wohl mit der BFH-Rechtsprechung einzig auf die satzungsgemäße Bezugsberechtigung abgestellt werden. Denn in R E 1.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2019 hat sich die Finanzverwaltung – entgegen ihrer früheren Position – nunmehr dem BFH angeschlossen.[15]

 

Rz. 37

[Autor/Stand] In welchem Umfang die Stiftung Erträge thesauriert, bleibt für die Bezugsberechtigung der Destinatäre ohne Bedeutung. Bei einer Bezugs- oder Anfallsberechtigung zwischen mehr als 25 % und 50 % sollen zusätzliche Merkmale ein wesentliches Familieninteresse belegen.[17] Die Einflussmöglichkeiten müssen dabei für den jeweiligen 30-Jahre-Zeitraum vor dem Besteuerungszeitpunkt für die Ersatzerbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) und nicht allein zu den Verhältnissen zu diesem Zeitpunkt beurteilt werden.[18]

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Die Steuerklasse für die Erstausstattung einer Familienstiftung richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). In der direkten Linie gilt daher die Steuerklasse I, in der Seitenlinie die Steuerklasse II oder die Steuerklasse III.

 

Rz. 39

[Autor/Stand] Die Änderung des Stiftungscharakters einer Familienstiftung durch Satzungsänderung ist erbschaftsteuerlich als Aufhebung der Stiftung und Errichtung einer neuen Stiftung anzusehen.[21] Dies gilt entsprechend, wenn durch die Satzungsänderung lediglich bisher nicht bezugs- oder anfallsberechtigte Familienmitglieder oder Dritte in den Kreis der Destinatäre aufgenommen werden und die Errichtung der Stiftung bei bereits damaliger Zugehörigkeit der neu aufgenommenen Destinatäre seinerzeit nach einer ungünstigeren Steuerklasse zu besteuern gewesen wäre. Die durch Satzungänderung entstandene "neue" Stiftung gilt als Erwerber des Vermögens der "bisherigen" Stiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem ursprünglichen Stifter (Schenker oder Erblasser) zu besteuern, § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG (vgl. im Einzelnen § 15 ErbStG Rz. 71 ff.).[22]

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Die Ersatzerbschaftsteuer fällt in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bestimmten Zeitpunkt an, d.h. grundsätzlich seit dem ersten Übergang von Vermögen auf die Stiftung. Sachliche Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen gelten auch für die Ersatzerbschaftsteuer (§ 13a Abs. 7 ErbStG)....

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