Rz. 106

Ein bilanzierender Kreditnehmer, insbesondere ein Kaufmann,[1] gewährt vor allem durch die Offenlegung seines Jahresabschlusses einen Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Grundsätzlich steht der Einzelabschluss des unmittelbaren Kreditnehmers im Mittelpunkt der Analyse.

Bei einer Gruppe verbundener Kunden im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Kapitaladäquanzverordnung (CRR) (beispielsweise abhängige Konzerngesellschaften) gelten verschiedene Unternehmen als ein Kreditnehmer (§ 19 Abs. 3 KWG). In einem solchen Fall sind nicht nur für die Ermittlung der Schwellenwerte die Kredite der Gruppenmitglieder zu addieren, sondern auch Jahresabschlussunterlagen des Gesamtkonzerns und ggf. von einzelnen Konzerngesellschaften für die Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigen.[2]

 

Rz. 107

Die Analyse muss mindestens den zeitlich aktuellsten und nach Möglichkeit auch die Jahresabschlüsse der 3 vorherigen Geschäftsjahre umfassen, da erst die Betrachtung eines größeren Zeitraums die Nachhaltigkeit der Ertragskraft feststellen lässt. Da nur zeitnahe Abschlüsse die erforderliche Analyse ermöglichen, hat der Kreditgeber dafür zu sorgen, dass die nach Möglichkeit testierten Abschlüsse innerhalb von 12 Monaten vorgelegt werden.[3]

 

Rz. 108

Die Pflicht zur Offenlegung nach dem KWG geht über die handelsrechtlichen Publizitätsvorschriften hinaus. Ausnahmen und Erleichterungen von Publizitätsvorschriften im PublG oder HGB dürfen das Offenlegungsbegehren der Bank nicht beschränken.[4]

 

Rz. 109

Einige Posten der Bilanz werden in der Kreditwürdigkeitsanalyse besonders kritisch betrachtet. So ist die Fähigkeit des Aktivpostens Geschäftswert, im Fall der Insolvenz Schulden zu decken, sehr problematisch. Auf der Passivseite ist insbesondere die Pensionsrückstellung zu überprüfen, ob sie in ausreichender Höhe gebildet worden ist. Schließlich gilt es, die nicht in der Bilanz berücksichtigten Haftungsverhältnisse (§§ 251, 268 Abs. 7 HGB), also Wechselverbindlichkeiten, Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften, Gewährleistungsverträge und Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten, offenzulegen. Außerdem sind weitere außerbilanzielle Risiken, wie zum Beispiel durch Leasingvereinbarungen, zu berücksichtigen.

Die praktische Analyse erfolgt anhand der Ermittlung von bestimmten Kennzahlen. Meistens werden diese Kennzahlen mit den von Mitbewerbern im Rahmen eines Branchenvergleichs bewertet. Kennzahlen von großer Bedeutung beziehen sich auf die Ertragskraft/den Cash-Flow. Der Grundsatz der fristenkongruenten Finanzierung wird bei der Analyse kontrolliert. Häufig erstellt das Kreditinstitut zur Analyse der Mittelverwendung und Mittelherkunft eine Kapitalflussrechnung.[5]

[2] Vgl. Bock, in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl. 2016, § 18 Rz. 15 und 60.
[3] Vgl. Bock, in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl. 2016, § 18 Rz. 51.
[4] Vgl. Bock, in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl. 2016, § 18 Rz. 54,55.
[5] Vgl. Hundt/Grabau/Stobinski, BC 2003, S. 38. Eine ausführliche Darstellung der genauen Kennzahlen von 10 verschiedenen Kreditinstituten findet sich bei: Meyer, Kunden-Bilanzanalyse der Kreditinstitute, 2. Aufl. 2000.

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