0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 29 trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I. S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift ist angelehnt an § 12 SGB V, der das Wirtschaftlichkeitsgebot für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aufstellt.

Für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung hat sich der Gesetzgeber für eine etwas abweichende Begrifflichkeit entschieden. Während es in § 12 Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGB V heißt, dass die Leistungen "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" sein müssen, fordert § 29 Abs. 1 Satz 1 HS 1 für die soziale Pflegeversicherung wirksame und wirtschaftliche Leistungen. Dieses Begriffspaar hat der Gesetzgeber indessen ebenfalls dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entnommen. Es findet sich in § 2 Abs. 4 SGB V.

 

Rz. 2

Bei den Begriffen des § 29 handelt es sich ebenso wie bei denen in § 2 Abs. 4, § 12 SGB V um unbestimmte Rechtsbegriffe. Unbestimmte Rechtsbegriffe gewähren dem Rechtsanwender im Gegensatz zu der bei der Ausübung von Ermessen bestehenden Sachlage keinen Beurteilungsspielraum. Sie sind mithin auch vollständig gerichtlich überprüfbar.

Es ist Sache der Gerichte und der anderen Rechtsanwender, bei der Auslegung durch Konkretisierungen und Abgrenzungen im Einzelfall Bestimmtheit und Rechtssicherheit zu fördern.

2 Rechtspraxis

2.1 Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit

 

Rz. 3

Die Regelungen des Abs. 1 stellen allgemeine, bei der Bewilligung jeder Leistung zu beachtende Anspruchsvoraussetzungen auf.

Ebenso wie § 12 SGB V für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist § 29 SGB XI damit für den Bereich der Pflegeversicherung eine der zentralen Rechtsvorschriften überhaupt.

Seiner Funktion nach dient das Gebot der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit, verbunden mit dem Verbot der Überschreitung des Maßes des Notwendigen der Optimierung der Bewilligungspraxis und damit auch der Harmonisierung von Einnahmen und Ausgaben, Beiträgen und Leistungen.

Ohne Belang für die Anwendbarkeit von § 29 ist die Art der Leistung, insbesondere auch die Frage, ob es sich um eine Sach-/Dienstleistung handelt oder – ausnahmsweise – Kostenerstattung begehrt wird. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt hier wie dort.

§ 29 kann den Anwendungsbereich von Vorschriften, die bestimmte Pflegeleistungen vorsehen, beschränken. So folgert das BSG bei Wohnungssicherungsmaßnahmen aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot, dass sich der Leistungsinhalt nicht stets und vollständig nach den individuellen Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten des Pflegebedürftigen bestimme, sondern maßgebend allein ein üblicher und durchschnittlicher Lebensstandard sein könne (BSG, Urteil v. 3.11.1999, B 3 P 3/99 R, SozR 3-3300 § 40 Nr. 1; Urteil v. 26.4.2001, B 3 P 24/00 R, SozR 3-3300 § 40 Nr. 5). Insgesamt gibt es in der Rechtsprechung eine Tendenz, gerade bei Leistungen nach § 40 eine Verknüpfung zu § 29 herzustellen (vgl. zuletzt etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.12.2008, L 27 B 127/08 PER, und LSG Saarland, Urteil v. 9.6.2010, L 2 P 1/09).

Vielen Vorschriften des Rechts der sozialen Pflegeversicherung indes ist ein eigener Tatbestand der Erforderlichkeit unmittelbar immanent (vgl. insbesondere das Merkmal des "Bedürfens" in § 14). In solchen Fällen bedarf es des Rückgriffs auf die allgemeine Vorschrift des § 29 nicht (anders im Ergebnis LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 16. 1.2002, L 16 P 14/01).

 

Rz. 4

Das Wirtschaftlichkeitsgebot wendet sich, wie Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich zu entnehmen ist, nicht nur an die Pflegebedürftigen als Anspruchsteller und die Pflegekassen als die für die Leistungsbewilligung zuständigen Einrichtungen, sondern auch an die Leistungserbringer.

Der Gesetzgeber hat sich damit wie auch in § 12 SGB V für die Herstellung einer Einheit aus Leistungsrecht und Leistungserbringerrecht entschieden.

Die Pflegekassen haben nach § 70 in den Verträgen mit den Leistungserbringern sicherzustellen, dass die Leistungsausgaben die Beitragseinnahmen nicht überschreiten.

2.2 Vertrag mit den Leistungserbringern (Abs. 2)

 

Rz. 5

Auch Abs. 2 dient der Harmonisierung von Leistung und Leistungserbringung. Die Vorschrift verlangt den Abschluss eines (Versorgungs-)Vertrags (vgl. §§ 72 ff.) mit dem betreffenden Leistungserbringer, damit die Leistung überhaupt zulasten der sozialen Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden kann.

Abs. 2 verfolgt mit der Harmonisierung das weitere Ziel der Kostenbegrenzung. Der Gesetzgeber hat sich dagegen entschieden, die Versichertengemeinschaft mit jeglichen zwischen einem Leistungserbringer und einem Leistungsempfänger vereinbarten Kosten zu belasten. Erforderlich ist vielmehr eine korrelierende weitere Vereinbarung, die von dem Leistungserbringer auf der einen Seite und der Pflegekasse oder ihrem Verband auf der anderen Seite zu treffen ist.

Das Gesetz kennt einige Rechtsvorschriften, in denen von dem Grundsatz des Abs. 2 abgewichen wird, ohne dass die Abweichung ausdrücklich benannt würde. Diese abweichenden Vorschriften erscheinen sachgerecht – etwa § 43a und § 91 – i. S. d. Berücksichtigung der verfassungsmäßig verankerten Vertragsautonomie (vgl. Art. 2 GG), oder – etwa § ...

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