Leitsatz

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Jahresnetzkarte, so führt dies zum sofortigen Zufluss von Arbeitslohn, wenn dem Arbeitnehmer mit der Karte ein uneingeschränktes Nutzungsrecht eingeräumt wurde.

 

Normenkette

§ 8, § 11, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte als Beamter im Ruhestand Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Als ehemaliges Führungsmitglied der DB-AG stellte diese ihm im Streitjahr 2001 eine nicht übertragbare Fahrkarte "C" (Netzkarte) zur Verfügung. Diese gestattete dem Kläger, ein Jahr lang sämtliche Verbindungen der DB-AG unentgeltlich zu nutzen. Auf der LSt-Karte für 2001 war für die Nutzung der Netzkarte für private Zwecke ein Betrag i.H.v. 7.344 DM angesetzt worden. Dieser Betrag war ausgehend vom Tarifwert einer Jahresnetzkarte der 1. Klasse i.H.v. 10.150 DM abzüglich eines Bewertungsabschlags von 4 % und des Rabattfreibetrags i.H.v. 2.400 DM ermittelt worden.

Im Rahmen seiner ESt-Erklärung für 2001 begehrte der Kläger, die Versteuerung des geldwerten Vorteils in Gestalt der Nutzung der Netzkarte nicht durch Ansatz des Tarifwerts für die Karte als solche, sondern auf der Grundlage der tatsächlichen Nutzung durchzuführen. Dazu fügte er eine Einzelaufstellung der Fahrten bei. Die Klage hatte Erfolg (EFG 2005, 524).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war erfolgreich; sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Ansicht des FG sei dem Kläger bereits mit der Überlassung der Netzkarte zusätzlicher Arbeitslohn i.H.v. 7.344 DM zugeflossen.

Der dem Kläger zugeflossene geldwerte Vorteil sei gem. § 8 Abs. 3 EStG zu bewerten und vom FA der Höhe nach zutreffend angesetzt worden. Als Endpreis der Netzkarte sei der Tarifwert der Jahresnetzkarte i.H.v. 10.150 DM zugrunde zu legen. Dies gelte unabhängig davon, dass die Netzkarte nicht übertragbar gewesen sei und nach Auffassung des Klägers daher keinen "Marktwert" habe. Die fehlende Übertragbarkeit finde im Tarifwert ihren Niederschlag.

 

Hinweis

1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses gewährt werden. In der Besprechungsentscheidung ermöglichte die an den – früher bei der Deutschen Bahn (DB-AG) beschäftigten – Kläger überlassene Netzkarte die unentgeltliche Nutzung sämtlicher Verbindungen der DB-AG. Es bestand daher zu Recht auch kein Streit darüber, dass die mit der Netzkarte verbundene Nutzungsmöglichkeit dem Grund nach zu einem geldwerten Vorteil des Klägers geführt hatte.

2. Das FG hatte sich in seiner – der Klage stattgebenden – Urteilsbegründung darauf gestützt, dem Kläger sei ein geldwerter Vorteil nicht bereits mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Netzkarte, sondern erst bei Inanspruchnahme der einzelnen kostenlosen Fahrten zugeflossen. Die Verfügungsmacht über die Netzkarte habe dem Kläger zunächst nur einen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber verschafft. Dieser Anspruch sei erst bei Inanspruchnahme der kostenlosen Fahrten erfüllt worden. Dem ist der BFH zu Recht nicht gefolgt.

3. Es ist zwar richtig, dass eine Einnahme erst dann zugeflossen ist, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (ständige Rechtsprechung; zuletzt u.a. BFH, Urteil vom 4.5.2006, VI R 19/03, BFH-PR 2006, 349). Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls.

Zutreffend war auch die Annahme des FG, dass der Zufluss nicht schon durch Einräumung von Ansprüchen durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer, sondern erst durch deren Erfüllung gegenüber dem Arbeitnehmer bewirkt wird (u.a. BFH, Urteile jeweils vom 23.6.2005, VI R 124/99, BFH-PR 2005, 367; VI R 10/03, BFH-PR 2005, 368).

Nicht zugestimmt hat der BFH jedoch dem FG darin, dass der Kläger durch die Überlassung der Netzkarte lediglich einen Anspruch gegen die DB-AG erlangt habe, der erst bei Inanspruchnahme der einzelnen Freifahrten erfüllt worden sei. Mit der Überlassung der Netzkarte erhielt der Kläger vielmehr ein Wertpapier, in dem der Beförderungsanspruch gegenüber der DB-AG verbrieft war. Die Netzkarte gewährte dem Kläger die umfassende Möglichkeit zur Nutzung der Verbindungen der DB-AG. Für die Nutzung der Netzkarte war weder eine Anzeige der einzelnen Fahrten noch das Lösen weiterer Fahrausweise der DB-AG erforderlich. Die Netzkarte verschaffte demnach dem Kläger das uneingeschränkte Nutzungsrecht hinsichtlich der Verbindungen der DB-AG.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.4.2007, VI R 89/04

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