Für Selbstanzeigen, die nach dem 31.12.2014 abgegeben werden, gelten neue gesetzliche Regelungen. Hierbei ist es zu Verschärfungen als auch zu Erleichterung gekommen. Eine differenzierte zeitliche Anwendungsregelung für die Neuregelung zum 1.1.2015 hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Gerichtlich ungeklärt ist, ob die Erleichterungen nach dem Prinzip der mildesten Regelung gem. § 2 Abs. 3 StGB auch für Selbstanzeigen vor dem 1.1.2015 anwendbar sind. Diese Unsicherheit sollte dem Mandanten dargelegt werden. Allerdings gilt dann wohl nicht das Prinzip der Rosinen-Theorie: Der Betroffene kann sich für die rechtliche Beurteilung seiner vor dem 1.1.2015 abgegebenen Selbstanzeige also nicht kombiniert die jeweils günstigsten Regelungen nach alter und neuer Rechtslage aussuchen. Im Überblick handelt es sich vor allem um folgende Punkte:

Der Berichtigungsverbund (Vollständigkeitsgebot) wird erweitert: Es müssen nicht nur die Einkünfte der Jahre, die strafrechtlich noch nicht verjährt sind, richtig gestellt werden. Im Einzelfall ist zu unterscheiden, ob eine 5- oder 10-jährige strafrechtliche Verjährungsfrist gilt (§ 376 AO). Zusätzlich hat der Gesetzgeber nun in die "Trickkiste" gegriffen: Es besteht nun zusätzlich eine starre fiktive Mindestfrist von 10 Kalenderjahren für den Umfang der Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 Satz 2 AO). Dies bedeutet im Ergebnis, dass nunmehr in jedem Fall mindestens für die letzten 10 Kalenderjahre etwaige Steuerhinterziehungen der jeweiligen Steuerart berichtigt werden müssen (Vollständigkeitsgebot betreffend die Einkünfte). Bisher ist ungeklärt, ob lediglich die 10 letzten Besteuerungszeiträume gemeint sind (Besteuerungszeitraumlösung) oder die Zeiträume zu erklären sind, auf die sich die Taten der letzten 10 Kalenderjahre beziehen (Straftatenlösung). M. E. spricht der Wortlaut eher für letztere Auslegung. Dann stellt sich die weitere Frage, auf welchen der 3 folgenden Zeitpunkte innerhalb des vorgenannten Zeitraums von 10 Kalenderjahren hinsichtlich der aufzudeckenden Taten abzustellen ist (Bezugspunkt):[1]

  • Zeitpunkt der Tathandlung, z. B. im Zeitpunkt der Abgabe der unzutreffenden Erklärung,
  • Zeitpunkt der Tatvollendung: Bei der USt oder LSt kann dieser Zeitpunkt bereits mit der Tathandlung zusammenfallen, wenn sich kein Erstattungsbetrag ergibt, ansonsten tritt Vollendung bei der USt mit Zustimmung des Finanzamts gemäß § 168 Satz 2 AO ein. Weiteres Beispiel: Nichtabgabe der UStVA oder LSt-Anmeldung im gesetzlichen Anmeldezeitpunkt oder
  • Zeitpunkt der Tatbeendigung: Bei der USt und LSt fällt dieser Zeitpunkt grundsätzlich mit der Tatvollendung nach h. M. zusammen. Ausnahme: bei einem Erstattungsbetrag aufgrund der USt-Erklärung oder LSt-Anmeldung tritt die Beendigung nach h. M. erst mit Auszahlung des Betrags an den Steuerpflichtigen ein.
  • Da der Wortlaut des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO von "Taten" spricht, könnte dies ein Gesichtspunkt sein, auf die Tathandlung abzustellen.[2] Obergerichtliche Rechtsprechung besteht hierzu noch nicht. Das Finanzministerium NRW hat in seinem Anwendungserlass vom 26.1.2015 diese Rechtsfrage angesprochen aber nicht entschieden.[3]
  • Weiterhin stellt sich die Frage, ob der 10-Jahres-Zeitraum rückwärts zu rechnen ist vom Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige oder vom 31.12. des Kalenderjahres, welches vor Abgabe der Selbstanzeige liegt. Im Zweifel sollten mindestens die steuerrechtlich noch nicht feststellungs- und festsetzungsverjährten Jahre erklärt werden. Wegen weiterer Hinweise zum 10-Jahres-Zeitraum wird auf Tz. 5 der Checkliste verwiesen.
  • Für das Vollständigkeitsgebot besteht seit 1.1.2015 jedoch eine Erleichterung: Eine wirksame Teilselbstanzeige ist durch die Neuregelung ausnahmsweise im Rahmen von Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen möglich. Wird eine Umsatzsteuer- oder Lohnsteuervoranmeldung korrigiert oder verspätet abgegeben, führt sie nun wieder im Rahmen des nacherklärten Umfangs als Selbstanzeige zur Straffreiheit und sperrt nicht – wie nach der Rechtslage bis zum 31.12.2014 – eine weitere Selbstanzeige für denselben Zeitraum (§ 371 Abs. 2a Satz 1 AO). Dies gilt aber nicht für die Fälle, in denen Voranmeldungszeitraum das Kalenderjahr ist. Da sich gerade das "Massengeschäft" der Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen als sehr fehleranfällig erweist, ist diese Korrektur zu begrüßen, da sie die Einleitung von Strafverfahren in Bagatellfällen von Steuerhinterziehungen reduziert.
  • Verschärfend müssen nun nicht nur die Steuern, sondern nun auch die Hinterziehungszinsen einschließlich der Nachzahlungszinsen, die auf Hinterziehungszinsen angerechnet werden, fristgerecht innerhalb der strafrechtlich gesetzten Frist nachgezahlt werden. Ungeklärt ist aber, ob sich die Bedingung der Zinszahlung nur auf die strafrechtlich unverjährten Jahre oder auf den ggf. längeren Zeitraum von 10 Kalenderjahren als neuen Mindestzeitraum des Berichtigungsverbunds bezieht (vgl. § 371 Abs. 1 Satz 2 AO). Diese Frage stellt sich analog auch für die Nachzahlung der Steuern als...

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