Nach der alten Regelung vor dem 3.5.2011 waren sog. Teilselbstanzeigen zulässig, d. h. der Steuerpflichtige konnte Strafbefreiung auch für die bloße Nacherklärung bestimmter Jahre erlangen. Der BGH[1] hat jedoch seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass Teilselbstanzeigen ausgeschlossen seien. Diese Rechtsprechung mündete in eine entsprechende Gesetzesänderung. Die Regelung des § 371 AO zum 3.5.2011 hat mit der früheren Tradition gebrochen und galt wie folgt bis zum 31.12.2014:[2]

  1. Die Berichtigung oder Nachholung muss für alle strafrechtlich unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang geschehen (sog. Berichtigungsverbund; Gebot der Vollständigkeit). Die Möglichkeit der Teilselbstanzeige ist damit abgeschafft worden. Der Berichtigungsverbund ist steuerartenbezogen, dies bedeutet: Ist die Selbstanzeige z. B. hinsichtlich USt unvollständig, so wird hiervon die Wirksamkeit einer vollständigen Selbstanzeige bzgl. ESt grundsätzlich nicht betroffen sein.
  2. Neu eingeführter Ausschlussgrund ist die "Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung".
  3. Bei Steuerstraftaten über 50.000 EUR pro Tat scheidet eine Selbstanzeige gem. § 371 AO aus. Straffreiheit kann dann gem. § 398 a AO u. U. bei freiwilliger Zahlung eines Zuschlages i. H. v. 5 % auf die Steuerschuld möglich erreicht werden.
  4. Diese Regelung galt für alle Selbstanzeigen, die ab dem 3.5.2011 abgegeben werden.

Der BGH hatte bisher keine Gelegenheit, über die Regelung zum 3.5.2011 und ihre Auslegung zu entscheiden. Mandanten wünschen in der Regel keinen langwierigen Rechtsstreit, sondern entscheiden sich in Streitfällen in der Regel für einen "Deal", sodass bestimmte Rechtsfragen nicht den Gerichten zur Entscheidung vorgelegt werden.

Folgen für Unternehmen

Die Regelung zum 3.5.2011 führte v.a. bei Fälligkeitssteuern zu unzumutbaren Folgen für Unternehmen: Voranmeldungen zur USt und LSt werden nicht selten aus zwingenden betrieblichen Gründen mehrfach korrigiert. Es kommt in der Praxis auch immer wieder zu Verspätungen. Nach früherer Rechtslage wurden Voranmeldungen schlicht korrigiert und die Steuern bezahlt. Die Finanzbehörden haben Korrekturen oder kurzfristige Verspätungen oft nicht auf eine steuerstrafrechtliche Relevanz hinterfragt. Denn Teilselbstanzeigen waren zulässig, sodass auch mehrfache Korrekturen möglich waren. Werden nach der Neuregelung nur einzelne Voranmeldungszeiträume korrigiert oder eine verspätete Anmeldung nachgeholt, ohne dass gleichzeitig alle Zeiträume dieser Steuerart korrigiert werden, so kann es sich u. U. um eine unvollständige Selbstanzeige handeln.

 
Praxis-Beispiel

Verspätete USt-Voranmeldung

Die USt-Voranmeldung 10/2012 wurde einen Tag zu spät abgegeben. Im Rahmen einer Betriebsprüfung betreffend USt 2011 wird eine Hinterziehung festgestellt. Da die USt-Voranmeldung 10/2012 verspätet erfolgte, handelt es sich – von besonderen Ausnahmefällen abgesehen – um eine Steuerhinterziehung (auf Zeit), so dass die verspätete Abgabe eine Selbstanzeige gem. § 371 AO ist. Diese ist jedoch unwirksam, weil sie unvollständig ist. Zum Berichtigungsverbund hätte auch die Hinterziehung der USt 2011 gehört.

 
Praxis-Beispiel

Vorsatz

Der Unternehmer U gibt USt-Voranmeldungen niemals vollständig pünktlich zum 10. des Folgemonats ab. Vielmehr vervollständigt es seine USt-Voranmeldungen immer zur Mitte des übernächsten Monats. Da U systematisch (immer) zu spät abgibt, liegt erst recht Vorsatz hinsichtlich der Steuerhinterziehung auf Zeit vor. Ein Ausnahmefall (wie z. B. plötzliche Erkrankung des Beraters, Autounfall) liegt nicht vor. Die Berichtigung der USt-Voranmeldung ist in diesem Fall mangels Vollständigkeit eine unwirksame Selbstanzeige, weil die jeweilige Berichtigung erst abgegeben wird, wenn bereits die nächste unzutreffende Voranmeldung eingereicht worden ist.

Der Unterscheidung, ob es sich um eine Steuerhinterziehung (Vorsatz), eine bloß leichtfertige Steuerverkürzung (grobe Fahrlässigkeit) oder eine schlichte Korrekturerklärung gem. § 153 AO (wenn noch nicht einmal grobe Fahrlässigkeit vorliegt) handelt, kommt daher im Einzelfall insbesondere bei den Fälligkeitssteuern eine große Bedeutung zu. Die Frage, welche "Spielregeln" einzuhalten sind, richtet sich also danach, welche Schuldform (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) vorliegt. Nur bei Vorsatz gelten die strengen Regeln des § 371 AO. Im Bereich der groben Fahrlässigkeit (Ordnungswidrigkeit) sind die milderen Regeln der bußgeldbefreienden Selbstanzeige § 378 Abs. 3 AO anwendbar.

[2] sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz v. 28.4.2011, BGBl 2011 I S. 676.

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