Rz. 1159

Die EU-Kommission hat am 25.5.2018 einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der MwStSystRL "hinsichtlich der Einführung der detaillierten Maßnahmen zur Durchführung des endgültigen Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten" veröffentlicht[1], die am 1.7.2022 in Kraft treten sollen. Der Vorschlag enthält die detaillierten Regelungen zur künftigen Besteuerung sog. Intra-Union-B2B-Warenlieferungen.

Die seit Einführung des Binnenmarktes am 1.1.1993 geltenden Regelungen zur Mehrwertbesteuerung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten besitzen lediglich Übergangscharakter. Wie im MwSt-Aktionsplan aus dem Jahr 2016 und dessen Follow-up im darauf folgenden Jahr angekündigt, schlägt die EU-Kommission nunmehr vor, die geltenden Bestimmungen zur Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten durch endgültige Regelungen zu ersetzen, mit denen das europäische Mehrwertsteuersystem moderner, weniger betrugsanfällig und gleichzeitig unternehmensfreundlicher ausgestaltet werden soll. Nach den ursprünglichen Planungen sollte dieser Übergang in zwei Schritten vollzogen werden. In einem ersten Schritt hatte die EU-Kommission im Herbst 2017 einen Richtlinienvorschlag unterbreitet, der die Einführung des sog. zertifizierten Steuerpflichtigen sowie die Festlegung von Eckpunkten eines endgültigen Systems (sog. Quick Fixes)[2] vorsah. Eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten hatte sich jedoch dafür ausgesprochen, die auf die Schaffung des endgültigen Systems abzielenden Änderungen des bestehenden Rechtsrahmens nicht fraktioniert, sondern im Ganzen zu betrachten.

 

Rz. 1160

Der nunmehr in einem zweiten Schritt vorgelegte Richtlinienvorschlag trägt diesem Petitum Rechnung. Er enthält folgende Kernelemente, die von einer Vielzahl technischer Änderungen der MwStSystRL getragen werden:

  • Schaffung eines Rechtsinstituts des "zertifizierten Steuerpflichtigen" (certified taxpayer, CTP);
  • Wegfall der Aufspaltung der grenzüberschreitenden Warenbewegung in eine innergemeinschaftliche Lieferung und einen innergemeinschaftlichen Erwerb;
  • Wegfall der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen von Gegenständen;
  • Festlegung des Bestimmungslandprinzips als Grundsatz für die Bestimmung des Besteuerungsortes grenzüberschreitender Warenlieferungen innerhalb der Union, d. h. Steuergläubiger ist wie bisher grundsätzlich der Bestimmungsmitgliedstaat;
  • Steuerschuldner soll anders als bisher grundsätzlich der liefernde Unternehmer sein, der die Steuer an den Bestimmungsmitgliedstaat abzuführen hat. Eine Ausnahme gilt für Erwerber, die als CTP anerkannt sind. Diese Unternehmer dürfen das Reverse-Charge-Verfahren anwenden;
  • Abführung der MwSt und Abzug der Vorsteuer durch den leistenden Unternehmer über eine sog. einzige Anlaufstelle (One-Stop-Shop);
  • Wegfall der ZM für grenzüberschreitende Warenlieferungen innerhalb der Union.

Bestimmte Änderungen betreffen Bestimmungen, für die bereits Änderungen im Vorschlag der EU-Kommission v. 4.10.2017 vorgeschlagen wurden. Dieser Vorschlag sah eine Verbesserung des derzeitigen Mehrwertsteuersystems vor, während mit dem vorliegenden Vorschlag die Arbeiten an der endgültigen MwSt-Regelung für den innergemeinschaftlichen Handel fortgeführt werden.[3]

 

Rz. 1161

Mit dem vorliegenden Vorschlag sollen jeweils die veralteten Begriffe "Intra-Community" (innergemeinschaftlich) oder "Community" durch die Begriffe "Intra-Union" und "Union" bzw. der Begriff "Gemeinschaftsgebiet" durch den Begriff "Unionsgebiet" ersetzt werden, was aber keine materiell-rechtliche Bedeutung hat.

Gegenstand und Geltungsbereich der MwSt: Das derzeitige MwSt-System teilt die grenzüberschreitende B2B-Lieferung von Waren für MwSt-Zwecke in zwei verschiedene Vorgänge: eine Befreiung im Abgangsmitgliedstaat der Ware und ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass eine grenzüberschreitende B2B-Lieferung von Waren innerhalb der Union zu einer einzigen Transaktion für MwSt-Zwecke führt: eine Intra-Union-Lieferung. Daher wird der Begriff des innergemeinschaftlichen Erwerbs in den Art. 2 bis 4 MwStSystRL gestrichen. Da der innergemeinschaftliche Erwerb von Waren als Steuertatbestand entfallen soll, müssen alle nachfolgenden Bestimmungen der MwStSystRL im Zusammenhang mit diesem Konzept gestrichen und im Lichte des vorgeschlagenen Mechanismus zur Besteuerung des grenzüberschreitenden B2B-Handels mit Waren innerhalb der Union geändert werden.

 

Rz. 1162

Innergemeinschaftliche Warenlieferungen: Art. 14 Abs. 4 MwStSystRL soll zusätzlich eine Definition der "Intra-Union"-Warenlieferungen enthalten. Eine solche Lieferung liegt vor, wenn sie von einem Steuerpflichtigen für einen Steuerpflichtigen oder für eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird und die Ware durch den Lieferer oder in seinem Auftrag oder im Auftrag desjenigen, der die Ware innerhalb der Union erwirbt, von einem Mitgliedstaat in einen anderen versandt oder beförd...

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