Rz. 192

Die Steuersatzharmonisierung war erst durch die RL 92/77/EWG mWv 1.1.1993 in Angriff genommen worden. Sie wurde mit der RL 96/42/EG, der RL 96/95/EG, der RL 1999/49/EG sowie der RL 2006/18/EG fortgesetzt. Eine vollständige Harmonisierung der Steuersätze stand bislang immer noch aus. Inzwischen hat die EU-Kommission am 18.1.2018 Vorschläge zur Modernisierung der ermäßigten MwSt-Sätze insgesamt (mit einer nahezu vollständigen Freigabe ermäßigter Sätze für die EU-Mitgliedstaaten)[1] vorgelegt.

 

Rz. 193

Nach Art. 96, 97 MwStSystRL wenden die Mitgliedstaaten einen Normalsteuersatz an, der mindestens 15 % betragen muss. Außerdem können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze zu mindestens 5 % anwenden, jedoch nur auf die in Anhang III MwStSystRL aufgeführten Umsätze.[2]

 

Rz. 194

Bei einer einheitlichen Leistung, die aus zwei oder mehreren konkreten und spezifischen Bestandteilen besteht, für die, sollten sie als getrennte Hauptleistungen erbracht werden, verschiedene Steuersätze gelten, kann die Besteuerung für dieses Leistungsbündel nicht nach den für die Bestandteile geltenden unterschiedlichen Steuersätzen erfolgen. Gerade aus der Einstufung eines aus mehreren Bestandteilen bestehenden Umsatzes als einheitliche Leistung leitet sich ab, dass dieser Umsatz ein und demselben Steuersatz unterliegen muss. Dies gilt auch, wenn es möglich ist, den Preis für jeden einzelnen Bestandteil einer einheitlichen Leistung zu bestimmen. Dass eine solche Bestimmung möglich ist oder dass die Vertragsparteien sich auf diese Preise einigen, kann eine Ausnahme von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht rechtfertigen.[3]

 

Rz. 195

Anhang III MwStSystRL enthält im Wesentlichen Umsätze im Bereich der Nahrungsmittelversorgung, der Gesundheitsvorsorge (Arzneimittel, medizinische Geräte) und Umsätze im Bereich der Kultur und der Sozialfürsorge. Zu der Änderung von Anhang III Nr. 6 MwStSystRL, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ermäßigte Mehrwertsteuersätze auch auf die Bereitstellung elektronischer Publikationen anzuwenden, vgl. Abschn. 4.31. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten jedoch auch die Personenbeförderung, Lieferung von Büchern und die Unterbringung in Hotels ermäßigt besteuern. Die Liste in Anhang III ist abschließend. Die Mitgliedstaaten dürfen nur auf die dort genannten Lieferungen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet und dürfen auch den Normalsteuersatz anwenden bzw. die Anwendung des ermäßigten Satzes auch auf einzelne Teilbereiche der Kategorien von Anhang III einschränken (z. B. auf bestimmte Arten von Personenbeförderungen). Unter den Begriff der Lieferung von Wasser (Nr. 2 von Anhang III) kann auch das Legen des Anschlusses eines Hauses an das Wasserversorgungsnetz fallen.[4] Die Wendung "Eintrittsberechtigung für Kinos" in Nr. 7 von Anhang III kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Zahlung eines Verbrauchers zu dem Zweck umfasst, allein in einer zur alleinigen Nutzung stehenden Kabine einen oder mehrere Filme oder Filmausschnitte betrachten zu können.[5] Sinn und Zweck von Anhang III Nr. 1 MwStSystRL ist, grundlegende Güter, nämlich Nahrungs- und Futtermittel, für den Endverbraucher zu verbilligen. Deshalb darf die Lieferung lebender Tiere nur dann ermäßigt besteuert werden, wenn diese üblicherweise dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden. Entscheidend ist damit der Verwendungszweck der Lieferung beim Abnehmer. Der Richtliniengeber will die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes auf Gegenstände beschränken, die selbst zwar keine Nahrungs- oder Futtermittel sind, jedoch üblicherweise dafür bestimmt sind, für deren Zubereitung verwendet zu werden.[6]

Nr. 3 von Anhang III MwStSystRL erfasst Arzneimittel zwar nur insoweit, als sie üblicherweise für die Gesundheitsvorsorge, die Verhütung von Krankheiten und für ärztliche und tierärztliche Behandlungen verwendet werden. Diese Voraussetzung bedeutet aber für sich genommen nicht, dass auf Arzneimittel, die im Rahmen von Eingriffen oder Behandlungen zu ausschließlich ästhetischen Zwecken geliefert werden, kein ermäßigter Steuersatz angewandt werden kann.[7]

 

Rz. 196

Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Autobahngebühren ist unzulässig. Die Leistung, die Nutzung einer Autobahn zu gestatten, kann nicht als eine Personenbeförderung i. S. v. Anhang H Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden.[8]

 

Rz. 197

Eine Differenzierung, wonach Leistungen von Musiksolisten gegenüber dem Publikum und Leistungen, die Musikensembles unmittelbar gegenüber dem Publikum oder an einen Konzertveranstalter erbringen, dem ermäßigten Steuersatz unterliegen,[9] während Leistungen von Musiksolisten an einen Konzertveranstalter mit dem Normalsatz besteuert werden, ist unzulässig.[10]

Die Vermietung von Bootsliegeplätzen ist zum einen nicht im Wortlaut von Anhang III Nr. 12 MwStSystRL enthalten und zum anderen nicht dem Begriff der Beherb...

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