Rz. 361

Die Sonderregelung der Margenbesteuerung nach Art. 311ff. MwStSystRL versucht, in Fällen, in denen Gebrauchtgegenstände wieder in den Wirtschaftskreislauf eingebracht werden, eine steuerliche Überbelastung der Lieferungen zu vermeiden. Diese ergibt sich bei Anwendung der Normalregelung dadurch, dass ein gewerblicher Gebrauchtwarenhändler beim Erwerb von Privatpersonen kein Vorsteuerabzugsrecht besitzt und er die in der Ware enthaltene Rest-MwSt über den Preis an seinen Abnehmer weitergeben muss. Gleichzeitig findet in solchen Fällen eine Steuerkumulation statt, weil auf den Nettoverkaufspreis, der auch Rest-MwSt enthält, wiederum USt berechnet wird, sodass Steuer auf Steuer entsteht. Diese Steuerkumulation bzw. Verteuerung des Gebrauchtgegenstands hatte zu einer weitgehenden Verdrängung des gewerblichen Gebrauchtwarenhandels geführt. Damit entstanden Steuerausfälle. Diese Effekte unterbindet die Gebrauchtwaren-Richtlinie dadurch, dass MwSt nur noch von der Gewinnmarge erhoben wird. Die Steuer bemisst sich somit nur noch rein nach dem erzielten Mehrerlös, ohne eventuell vorhandene MwSt. Gebrauchtgegenstände können auch lebende Tiere sein.[1]

 

Rz. 362

Der EuGH hat zum Begriff des Gebrauchtgegenstands entschieden, es muss ein beweglicher körperlicher Gegenstand sein, er muss in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sein, und er darf weder in die Kategorie der Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten noch in die der Edelmetalle oder Edelsteine fallen. Die Ausnahme für Edelmetalle und Edelsteine von der Differenzbesteuerung ist darauf zurückzuführen, dass der Wert, der Edelmetallen und Edelsteinen beizumessen ist, sich nicht nur aus ihrer Verwendung als Rohmaterial für die Herstellung anderer Gegenstände ergibt, sondern im Wesentlichen aus dem gespeicherten Wert, der ihnen beigemessen werden kann. Ohne dass sie in einen Gegenstand mit einer bestimmten Funktion integriert oder umgewandelt werden müssten, kommt diesen Metallen und Steinen somit eine eigene Funktion zu, die darin besteht, einen auf dem Markt für Edelmetalle oder Edelsteine erzielbaren finanziellen Wert einzunehmen. Aus der Entstehungsgeschichte der Differenzbesteuerung schließt der EuGH, dass der Richtliniengeber bis zu einem gewissen Grad Gegenstände, die Edelmetalle oder Edelsteine enthalten, in den Genuss der Differenzbesteuerung kommen lassen wollte. Es sei beabsichtigt gewesen, "Gegenstände, die aus Gold oder einem anderen Edelmetall gefertigt oder mit Edelsteinen verziert sind, sofern der Wertanteil dieser Materialien 50 % des Verkaufspreises nicht übersteigt", in die Differenzbesteuerung einzubeziehen und somit eine Unterscheidung zwischen Edelmetallen und Edelsteinen einerseits und aus diesen Materialien gefertigten Gegenständen wie Schmuck andererseits einzuführen. In der Endfassung von Art. 26a der 6. EG-Richtlinie[2] fehlt aber jede Bezugnahme auf Gegenstände, die Edelmetalle oder Edelsteine enthalten, und es sind von der Differenzbesteuerung nur "Edelmetalle und Edelsteine" als solche ausgenommen, wobei die Definition, was unter "Edelmetalle oder Edelsteine" zu verstehen ist, den Mitgliedstaaten obliegt. Diese Befugnis ist aber nach der EuGH-Rechtsprechung nicht nur durch das Verbot begrenzt, der Formulierung der vom Richtliniengeber geschaffenen Ausnahme durch eine so weite Definition zuwiderzuhandeln, dass dem Begriff "Gebrauchtgegenstände" der Bedeutungsinhalt genommen würde, sondern auch durch den Neutralitätsgrundsatz. Daraus folgt, dass ein aus Edelmetallen oder Edelsteinen gefertigter Gegenstand nur dann in die Kategorie "Gebrauchtgegenstände" i. S. v. Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL fallen kann und nicht unter die von der Differenzbesteuerung ausgenommenen "Edelmetalle oder Edelsteine", wenn er eine andere Funktion hatte, als sie den Materialien innewohnt, aus denen er besteht, ihm diese unverändert zukommt und er in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist. Zu den Faktoren, die zu berücksichtigen sind, um in einem bestimmten Fall zu ermitteln, ob ein wiederverkaufter Gegenstand in die Kategorie "Gebrauchtgegenstände" oder in die der "Edelmetalle und Edelsteine" fällt, gehören alle objektiven Umstände, unter denen ein Wiederveräußerungsgeschäft auftritt. Somit ist der Begriff "Gebrauchtgegenstände" in Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL dahin auszulegen, dass gebrauchte Gegenstände, die Edelmetalle oder Edelsteine enthalten, nicht erfasst sind, wenn diese Gegenstände ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen können und nur die diesen Metallen und Steinen innewohnenden Funktionen behalten haben. Dies muss das nationale Gericht unter Berücksichtigung aller objektiven maßgeblichen Umstände des Einzelfalls prüfen.[3]

 

Rz. 363

Die Bemessungsgrundlage[4] für die betreffenden Lieferungen ist nicht – wie im Regelfall – das gesamte Entgelt, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (ohne USt) und dem Einkaufspreis des jeweiligen Gegenstand...

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